Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB) Foto: dpa

Der Präsident des Deutschen Turner-Bundes über die Olympischen Jugendspiele.

Stuttgart - Die Kritik ist verstummt. Zwei Tage vor dem Start der ersten Olympischen Jugendspiele in Singapur sehen viele Funktionäre das Großereignis positiv. "Es gibt ein vernünftiges Verhältnis zwischen sportlichem Wettkampf und kultureller Bildung", sagt Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB).

Herr Brechtken, haben Sie eigentlich schon Ihr Flugticket nach Singapur gekauft?

Nein. Ich werde nicht hinreisen, aber wir vom Deutschen Turner-Bund werden in Singapur dabei sein und alles beobachten.

Boykottieren Sie etwa die Premiere der Olympischen Jugendspiele?

Meine Abwesenheit hat einen anderen Grund. Aber wie kommen Sie darauf?

Sie waren einst einer der Hauptkritiker der Veranstaltung. Sie hatten befürchtet, dass dadurch ein verfrühtes Hochleistungstraining in ganz jungen Jahren gefördert werden würde.

Als Jacques Rogge vor drei Jahren die Idee der Olympischen Jugendspiele aufgebracht hatte, waren die internationalen Fachverbände aufgefordert, dies umzusetzen. Der Internationale Turnerbund hat daraufhin eine einhundertprozentige Kopie der Olympischen Spiele vorgelegt. Sie hätten eine Jugend-WM benötigt, um die Teilnehmer zu ermitteln. Darüber hinaus hätten wir zusätzliche Ausscheidungswettkämpfe auf nationaler Ebene ins Programm nehmen müssen. Der ganze zusätzliche Aufwand, parallel die schulische Belastung - das hätte den Druck auf unsere Nachwuchssportler nochmals um einiges erhöht. Daher haben wir dem Turn-Weltverband gesagt: So nicht.

Und das hat gewirkt?

Auf jeden Fall. Der Druck in nahezu allen internationalen Verbänden hat dazu geführt, dass das Konzept auch vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) noch einmal überdacht und überarbeitet wurde.

"In einigen Sportarten werden multinationale Teams antreten"

Was hat sich am Konzept der Olympischen Jugendspiele nun konkret verbessert?

Die wichtigste Änderung war, dass das IOC die Teilnehmerzahl verringert hat. Damit war ein neues System, auch im Internationalen Turnerbund, notwendig. So sind die bereits etablierten kontinentalen Meisterschaften für die Junioren zu Qualifikationsturnieren ernannt worden. Dies hatte in Deutschland zur Folge, dass die Qualifikation ohne zusätzlichen Wettkampf möglich war. Dadurch kam es für die jungen Sportler nicht zu einer zusätzlichen Belastung.

Glauben Sie nicht, dass schon allein der Druck, sein Land bei Olympischen Spielen zu vertreten, für 14- bis 18-Jährige zu groß ist?

Am Anfang hatte ich auch diese Bedenken. Aber nach all den Änderungen unterstütze ich das aktuelle Konzept nun vorbehaltlos. So wird es beispielsweise keinen Medaillenspiegel geben, weil in einigen Sportarten multinationale Teams antreten. Das Medaillenzählen der Öffentlichkeit und der Medien fällt damit weg.

Die Veranstaltung soll mehr einem olympischen Jugendlager als einem Sport-Großereignis gleichen. Sehen Sie das gewährleistet?

Es gibt nun ein vernünftiges Verhältnis zwischen sportlichem Wettkampf, kultureller Bildung und interkulturellem Austausch. So werden die Sportler ja nicht nur zu ihren Wettkämpfen anreisen, sondern die gesamte Zeit über in Singapur sein und auch an Workshops, Vorträgen oder Ausflügen teilnehmen. Dadurch durchleben die Jugendlichen einen gesellschaftlichen, pädagogischen Prozess.

In einem der Workshops unterhalten sich die Jugendlichen mit Usain Bolt. Ist es sinnvoll, dass ein derart vermarkteter, oft auch umstrittener Athlet Jugendlichen die pädagogische Seite des Sports vermitteln soll?

Es ist ja nicht nur Usain Bolt, es sind auch andere Athleten, die zur Verfügung stehen. Unterschätzen Sie unsere Sportler nicht - sie werden in diesen Diskussionen auch kritische Fragen stellen. Die deutschen Sportler haben sich übrigens bei ihrer Verabschiedung in Berlin mit Dirk Nowitzki und anderen ganz offen darüber unterhalten, wo die Schwierigkeiten des Profisports liegen oder wie sie eine Durststrecke in Sachen Erfolge durchstehen. Diese Begegnung hat die Jugendlichen begeistert, und sie wird sie prägen und motivieren.