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Zu den Olympischen Spielen nach Sotschi zu reisen, das ist kein Problem. Eine ordentliche Bleibe zu finden, dagegen schon.

Sotschi - Über das Gefahrenpotenzial bei den Olympischen Spielen in Sotschi ist ja allerhand berichtet worden. Und so gibt es einem tatsächlich ein ordentliches Gefühl, wenn man den einen oder anderen Soldaten sieht. Was einem dagegen eher kein gutes Gefühl gibt: Wenn es nachts um halb zwei Ortszeit an die Zimmertür klopft. Nicht einmal, nicht sachte – vielmehr immer wieder, und auch feste. Mit Nachdruck eben.

So war das also in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Wir waren gerade dabei, die Zeitverschiebung zu vergessen und endlich einzuschlafen, als es geschah – und es uns recht schnell ein wenig flau geworden ist in der Magengegend. Wir haben dann kurz nachgedacht, welches Fehlverhalten man uns nun vorwerfen könnte, weil uns aber nichts eingefallen ist, haben wir versucht, die Dinge positiv zu sehen. Und einfach froh zu sein, dass wir in diesem Zimmer wohnen können. Denn auch das war ja nicht selbstverständlich.

Zumindest nicht am Montagabend. Die Anreise mit dem Kollegen aus der Schweiz, erst nach Moskau, dann nach Sotschi, dann hoch in die Berge nach Krasnaja Poljana, verlief fast schon zu glatt – kein Wunder also, dass nach dem Verlassen des Shuttle-Busses die Probleme erst anfingen. Der junge Mann in der schwarzen Jacke war sich nach einem kurzen Blick auf unsere Buchungsbestätigung jedenfalls sicher, dass wir erst mit einer Gondel fahren müssen, um ins entsprechende Hotel zu gelangen. Wir haben versucht zu widersprechen, was ohne Russischkenntnisse zwecklos war. Erst fuchtelte der freundliche, aber bestimmte Helfer immer wieder mit den Armen, dann zeigte er fortwährend Richtung Berggipfel. Danach standen unsere Koffer in der Gondel – und wir logischerweise auch. Oben angekommen war allerdings recht schnell klar, dass wir wieder nach unten müssen.

In Rezeption Nummer zwei wurden die Probleme aber auch nicht kleiner. Auf der vorliegenden Liste fehlte unser Name, nach etwa einer Stunde war dann klar: Wir müssen in die andere Rezeption – wo sie mit unserem Namen auch nichts anzufangen wussten. Nach zwei weiteren Stunden mit vielen Gesprächen, einigen flehenden Blicken, dem fortwährenden Verweis auf die Überweisungsbestätigung, noch mehr flehenden Blicken und vielen beteiligten Mitarbeitern hatten sie dann ein Einsehen mit uns. Alles gut also? Nun ja.

Nun gehören wir wirklich nicht zu denjenigen, die im Urlaub jedes Staubkorn im Hotelzimmer fotografisch dokumentieren und nach dem Ferienende erst die Herberge im Internet niedermachen und dann noch den Reiseveranstalter auf Rückzahlung aller Kosten verklagen. Wir sind also nicht unbedingt pingelig, ein wenig seltsam fanden wir die Zustände in unserem neuen Domizil dann aber doch.

Mit der Dreckschicht auf dem Fußboden sowie den Fußabdrücken der Handwerker hätten wir ja noch leben können. Dass ein Fenster nicht richtig schließt? Sei’s drum. Auch den funktionsuntüchtigen Fernseher kann man verschmerzen, die Farbreste an den Türrahmen ebenfalls, und dass im Aufzug die Fliesen noch nicht verfugt sind, ist eigentlich auch egal. Wenn einem beim Zähneputzen aber statt des klaren Kaukasus-Bergquellwassers eine hellbraune Soße entgegenkommt, könnte auch „Perlweiß“ an seine Grenzen stoßen. Das mit dem Duschen haben wir uns lange überlegt und trotz allem durchgezogen (man will ja ordentlich riechen). Gurgeln tun wir aber doch lieber mit Mineralwasser – und sagen uns nach wie vor immer wieder: „Positiv denken.“ Es hätte schließlich alles noch schlimmer kommen können.

Eine österreichische Kollegin zum Beispiel kam in ihr Zimmer – und auf dem Bett lag ein schlafender Handwerker. Ein deutscher Kollege hat innerhalb der ersten fünf Tage bereits drei Hotels kennengelernt, und beim TV-Reporter aus der Schweiz war das Wasser nicht nur bräunlich, sondern auch eiskalt.

Da ist so ein Klopfen an der Tür vielleicht gar nicht so schlimm. Denn, siehe da: Der Fotograf aus London, der nun mit uns wohnt, macht eigentlich einen ganz netten Eindruck. Er heißt Leon, wollte schnell ins Bett, weil er am nächsten Morgen gleich zur Rodelbahn musste, wenig später war er aber ebenso verdutzt wie wir bei seinem Eintreffen kurz zuvor. Nicht wegen uns, sondern weil er kurz, nachdem er seine Nachtruhe begonnen hatte, wohl ebenfalls ein mulmiges Gefühl in der Magengegend verspürte. Als es wieder klopfte.

Jetzt sind wir zu viert.