Sandra Kiriasis und ihre Bremserin Franziska Fritz im Eiskanal von Sotschi: Die Goldmedaillen-Gewinnerin von Turin wünscht sich einen schönen Abschluss ihrer Karriere. Foto: Getty Images Europe

Die Gründung des Stuttgarter Bob-Clubs Solitude und die Verpflichtung von Star-Pilotin Sandra Kiriasis (39) ist kein Marketing-Gag – in Charlotte Ansel (15) steht bereits ein Talent in den Startlöchern.

Die Gründung des Stuttgarter Bob-Clubs Solitude und die Verpflichtung von Star-Pilotin Sandra Kiriasis (39) ist kein Marketing-Gag – in Charlotte Ansel (15) steht bereits ein Talent in den Startlöchern.

Sotschi - So ein bisschen war die Lage ja vergleichbar, zumindest beim Blick in den Himmel. Als Sandra Kiriasis im Frühsommer des vergangenen Jahres die Stufen am Schloss Solitude in Stuttgart hinunter schritt, strahlte die Sonne – so wie Ende der vergangenen Woche, als die Bobpilotin in Sotschi ihre ersten Trainingsläufe für das an diesem Dienstag (16.15 Uhr/ZDF) beginnende Rennen im Eiskanal bestritten hat. „Die Sonne“, schwärmte sie damals wie heute, „tut einfach gut.“ Zwar kam übers Wochenende der Nebel ins Tal von Krasnaja Poljana, für die letzten vier Wertungsläufe ihrer olympischen Karriere scheint die 39-Jährige dennoch gerüstet. Und an Unterstützung mangelt es auch nicht.

Am Montagabend nämlich traf die zehnköpfige Abordnung des Vereins in Sotschi ein, dessen Gründung man im vergangenen Jahr durchaus als einen nett gemeinten Witz hätte verstehen können. Bobclub Stuttgart Solitude – manch einer lächelte da nur mitleidig. Christoph Langen dagegen lächelte vor Freude. Der Bob-Bundestrainer nämlich war alles andere als unglücklich über die neue Initiative. „Ich kenne ja die Leute, die dahinter stehen“, sagt der Olympiasieger, „deshalb habe ich das von Anfang an als ernsthaftes Projekt gesehen.“

Und auch die Macher versuchen seit der Gründung vor nicht einmal einem Jahr alles, um den Eindruck eines Marketing-Gags zu verwischen. „Das Ding“, sagt Jochen Buck, „läuft genial. Wir haben eigentlich nur offene Türen eingerannt.“ Buck war einst Anschieber in der deutschen Nationalmannschaft, dann als Unternehmer erfolgreich, nun ist er sowohl Präsident des Stuttgarter Clubs, als auch des Baden-Württembergischen Bob- und Schlittenverbands. „Dadurch haben wir tolle Möglichkeiten“, sagt er, „und im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen sind wir schon professionell aufgestellt.“

Die Verpflichtung von Topfahrerin Kiriasis sollte Initialzündung sein, mittlerweile aber ist auch in die Nachhaltigkeit des Projekts investiert worden. In Stuttgart entsteht eine Geschäftsstelle, der Club hat aus einem früheren Engagements von Jochen Buck Material zur Verfügung, und auch die Zusammenarbeit mit dem Olympiastützpunkt läuft. Sechs bisherige Leichtathleten und Footballspieler, die in Stuttgart trainieren, waren in der ersten Dezemberwoche bereits bei einem Lehrgang der Bobfahrer, da die Piloten immer auf der Suche nach kräftigen Anschiebern sind. Und auch Charlotte Ansel war dabei.

Die 15-Jährige war bisher auf Skiern im Renntempo unterwegs, bei einem Praktikum am OSP erfuhr sie dann vom neuen Projekt – wenig später saß sie in einem Bob. Noch als Mitfahrerin zwar, aber sie sagt: „Ich habe Blut geleckt, es hat unheimlich viel Spaß gemacht.“ Sicher, es gab blaue Flecken, der Respekt vor den hohen Geschwindigkeiten im Eiskanal war aber schnell verflogen. „Das hat mir überhaupt nichts ausgemacht“, sagt sie. Nach einem Techniktraining auf der Anschubbahn unter der Leitung von Weltklassepilot Karl Angerer ging es dreimal die Strecke am Königssee hinunter. „Das hatte mit einer richtigen Fahrt aber schon viel zu tun“, versichert die Schülerin, die in Isny lebt. „Der große Reiz bei Charlotte ist, dass sie im Gegensatz zu anderen Pilotinnen, die in den Bobsport kommen, noch sehr jung ist“, sagt Axel Watter, der im Landesverband als Sportwart fungiert.

Die ersten Gehversuche könnten in einer ernsthaften Karriere münden, Charlotte Ansel ist jedenfalls Feuer und Flamme, demnächst auch mal einen Mono-Bob für Junioren selbst zu steuern. „Ich würde gerne mal an die Lenkseile“, sagt die 15-Jährige, der das Krafttraining, das sie bislang für den Skirennlauf betreibt, beim Anschieben des schweren Bobs zudem zugute kam. Die Distanz von Stuttgart oder Isny zu den vier in Deutschland vorhandenen Kunsteisbahnen stellen derzeit noch kein Problem dar, da sich die Nachwuchs-Bobsportler nur zu Lehrgängen in den jeweiligen Zentren versammeln. Sollte sich aus den ersten Erfahrungen im Eiskanal aber tatsächlich Perspektiven ergeben, wäre wohl auch ein Umzug nach Berchtesgaden nicht undenkbar. Das allerdings ist Zukunftsmusik.

Zunächst fiebert der Bobclub in Sotschi mit seiner Topfahrerin. Zum Abschluss ihrer Karriere will sich Sandra Kiriasis noch einmal richtig stark präsentieren, wenn es dann für eine Medaille reicht – umso besser. Für die Zeit nach der aktiven Laufbahn gibt es bei der Olympiasiegerin von 2006 derzeit noch keine konkreten Pläne – beim Bobclub Stuttgart dagegen schon. Dort soll die Lücke, die die Frontfrau hinterlässt, schnell wieder geschlossen werden.