Schwerstarbeit für die Oberschenkelmuskulatur: Der Telemark-Stil. Foto: Your Photo Today

Der Telemark-Stil gilt als Urform. Doch was elegant wirkt, lernt sich nicht so lässig wie gedacht.

Der Idiotenhügel hat den positiv klingenden Namen Ideal-Lift. Weil diese Skiwiese mit ihrem Tellerlift so sanft abfällt, dass man sie kaum Hang nennen mag. Trotzdem steht eine zehnköpfige Gruppe zögerlich am Ideal-Lift. "Wie viele Stürze muss man einrechnen?", fragt Klaus. "Bei jedem Schwung einen", mutmaßt Tobias. Beide mühen sich gerade ab, Skier anzuschnallen. So hilflos sind manche, dass zwei Helfer die Beine in die Bindung bringen. Dabei sind alle erfahrene Skifahrer. Klaus fährt am liebsten in schwarze Abfahrten ein, Tobias schanzt über Felsen.

Aber die Bindung auf den Brettern ist für alle neu: hinten ein Kabelzug, vorn eine Hülse, in die eine Art Entenschnabel geschoben wird – die Spitze des Skischuhs, der auch noch eine ziehharmonikaähnliche Knickfalte über den Zehen hat. So steht man auf Telemark-Skiern. Die Norweger sind als Erste damit die Hänge runter: Die Skier werden weit nach vorn und hinten auseinandergeschoben, in jeder Kurve macht man Kniebeugen. Ältere Kleinwalsertaler erinnern sich noch, so das Skifahren gelernt zu haben. Aber dann wurde die Arlbergschule stilbildend mit ihrem Primat des Parallelschwungs. So hat auch Elmar Müller den Gästen das Skifahren beigebracht. Ein kräftiger Kerl ist er, ein gelernter Schreiner und in Riezlern geboren. Vor 13 Jahren sah er einen Schweden, einen touristischen Gastarbeiter, der die Hänge per Kniebeugen herunterglitt. Seitdem ist Müller dem Telemarken verfallen. "Das Leben ist zu schön für eine feste Bindung", sagt er.

Das sehen manche nicht so euphorisch. Wer schon einmal auf Langlaufskiern stand, denkt eher mit Grausen an die kippelige Kurvenfahrerei in einer Bindung ohne Fersenfixierung. Wie wird das Rausschwingen aus dem Tellerlift? Angenehme Überraschung: Trotz freier Ferse ist der Vorderfuß so fixiert, dass die gewohnten Schwünge jederzeit machbar sind. Der Notausgang ist also offen.

Elmar Müller lässt in der Grundstellung fahren: diagonal über den Hang, der Talski ist weit nach vorne geschoben. Auch das hintere Knie sollte den Bergski noch so kontrollieren, dass die Innenkanten parallel Druck in den Hang bringen. Eine wacklige Geschichte, ein Härtetest für das Gleichgewicht. Viele schieben die Ski erst mal zögerlich auseinander. Aber Elmar Müller nennt unerbittlich das Kriterium für die richtige Haltung: "Der Oberschenkel muss brennen." Tut er auch.

So mal geschwind wird man nicht zum Telemarker. Weiß Elmar Müller selbst gut. Sein Umstieg war mühsam. Ein Jahr hatte es gedauert, bis er überhaupt die Ausrüstung zusammenhatte, so unbekannt war der Norwegerstil hierzulande. Beibringen musste er sich alles selbst, und das auch noch unter dem Spott seiner Clique. Aber die waren bald angesteckt von seiner Begeisterung, und mittlerweile ist er die Telemark-Autorität im Kleinwalsertal, das zu einem Telemarker-Treff geworden ist. Jedes Jahr organisiert Elmar Müller hier Telemark-Tage und die deutsche Telemark-Meisterschaft. Dafür ist die Gruppe noch lange nicht fit. Aber Elmar Müller sieht Fortschritte: "Am Anfang wart ihr alle total verkrampft, jetzt werdet ihr weicher."

Manche Kurven sind schon so passabel, dass Elmar Müller mit der Gruppe auf die Kanzelwand liftet. Die Abfahrt ist voll, die Bögen mit dem Telemark-Schwung sind noch weit – Konzentration auf die nächsten Meter ist angesagt. Elmar Müller biegt in einen weiten Hang neben der Piste ab. In den Tiefschnee, das eigentliche Revier der Telemarker. Kniebeuge links, Kniebeuge rechts – es wirkt fast schwerelos. Und Elmar Müller schwebt hinterher selbst noch ein bisschen. "Das ist wie Surfen auf der Welle."

Kleinwalsertal

Ausrüstung
Nicht ganz billig:. Sets mit Skiern, Stiefeln und Bindung kosten zwischen 600 und 1000 Euro. Im Gelände muss auch die Lawinenausrüstung dabei sein: noch mal 250 bis 400 Euro.

Anforderungen
Sicheres klassisches Skifahren hilft, das telemarkfahren schneller zu lernen. Gut trainierte Oberschenkel halten den Muskelkater in Grenzen. Der Sport ist nicht für Kniegeschädigte geeignet, aber laut einer Studie sind gesunde Knie weniger belastet als beim klassischen Skifahren.

Kurse
Die Skischulen Kleinwalsertal bieten auf Anfrage Telemarkkurse an: www.skischulen-kleinwalsertal.at, Telemarkfestival: 23. bis 27. März 2011. Kurse für alle Leistungsstufen, viel Drumherum. Infos: www.telemarkfest.de.

Infos
Kleinwalsertal Tourismus, Telefon 0043/5517- 51140, www.kleinwalsertal.com