Die Aufsichtsgremien fordern mehr junge Programminhalte, aber es fehlt das Geld.
Stuttgart - Die ARD ringt seit Jahren darum, wie sie mehr junge Zuschauer erreichen kann. Mal steht die Gründung eines Jugendsenders im Raum, mal wird über neue Programmideen nachgedacht. Nun erhöhen die Aufsichtsgremien den Druck.
Wenn die Intendanten der neun ARD-Anstalten alle paar Monate zu ihrer Routinesitzung zusammenkommen, hat das meist den Charakter eines Klassentreffens. Man tauscht sich über Neuigkeiten aus, berichtet über die Erfahrungen des jeweils anderen (im Programm) und beschließt - wenn es gut läuft - die nächsten Projekte. Vor diesem Hintergrund war die Frühjahrstagung der ARD diese Woche in Stuttgart eher unspektakulär. Einige Verträge von Führungskräften wurden verlängert, einige neue Sendeplätze für Dokumentationen und Comedy-Formate wurden festgezurrt. Das war's.
Dafür gibt es aber hinter den Kulissen heftige Diskussionen um die Frage, wie jung und frisch die ARD künftig sein darf und muss. Schon vor einem Jahr hatte der damalige ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust, der Intendant des Südwestrundfunks, laut darüber nachgedacht, dass die ARD dringend einen eigenen Jugendkanal brauche, um die Lücke zwischen Kinderkanal und erstem Programm zu schließen. Ruth Hieronymi, die Vorsitzende aller ARD-Aufsichtsgremien, hat am Mittwoch nun nachgelegt und die Intendanten zum Abschluss der Tagung aufgefordert, die Angebote für junge Zuschauer deutlich zu vergrößern.
SWR und WDR seien vorbildlich
"Es muss rasch und konsequent gehandelt werden", sagte Hieronymi. Angesichts des demografischen Wandels "schließt sich bald das Zeitfenster, in dem gehandelt werden" könne. Die Gremienchefin mahnte die Programmverantwortlichen, das TV-Angebot deutlich zu verjüngen und dabei innovative ARD-Hörfunkprojekte als Vorbild zu nehmen. Um mehr junge Zuschauer zu erreichen, müsse die ARD aber investieren. "Ohne Geld geht's nicht", so Hieronymi, und so forderte sie im Namen der Aufsichtsgremien, dass die einzelnen ARD-Sender künftig zehn Prozent ihrer jährlichen Produktionsmittel für Programminnovationen zur Verfügung stellen müssten. Sender wie SWR und WDR seien da vorbildlich, dort existierten bereits "eigene Programminnovationsetats". So etwas müsse es künftig auch in anderen ARD-Sendern geben.
Je länger Hieronymi ihre Forderungen darlegte, desto mehr verdüsterten sich am Mittwoch die Mienen von SWR-Chef Boudgoust und der neuen ARD-Vorsitzenden Monika Piel. "Es ist ja nicht so, als wäre bisher nichts passiert", konterte WDR-Chefin Piel. Man dürfe aber nicht vergessen, "dass wir auch für die Zuschauer über 50 wichtig sind". Die Forderung der Aufsichtsorgane, jede ARD-Anstalt möge nun einen Innovationstopf aufmachen, um junge Programminhalte voranzutreiben, sei "unmöglich umzusetzen", weil "wir keine ARD-Anstalt dazu zwingen können und zudem sparen müssen". Auch Boudgoust erteilte den Wünschen umgehend eine Absage. "Wir sind uns einig, dass wir mehr für die jungen Zielgruppen tun müssen", und natürlich "wäre es gut, einen eigenen Jugendkanal zu haben", aber gegenwärtig gebe es dafür nicht die finanziellen Mittel. Deshalb müsse es vorerst das Ziel sein, dass das Fernsehen noch mehr Innovationen von den Hörfunkprogrammen übernimmt und das Ganze durch das Internetangebot ergänzt wird. "Öffentlich-Rechtliche können auch hip und cool daherkommen", so Boudgoust in Anlehnung an erfolgreiche Jugendwellen wie "Das Ding".
Vielleicht kommt ja die Rettung zumindest teilweise in Person von Günther Jauch. Der 54-Jährige, bekanntermaßen Deutschlands Publikumsliebling, wird künftig zwischen RTL und ARD pendeln. Beim Kommerzsender behält er sein Erfolgsquiz "Wer wird Millionär?", im Ersten hat er einen Dreijahresvertrag erhalten und wird ab 11. September seine sonntägliche Polit-Talkshow moderieren. Er übernimmt damit den Platz von Anne Will, die künftig mittwochabends plaudern darf. In der ARD gilt Jauch zwar nicht als Heilsbringer, aber zumindest als großer Hoffnungsträger, weil er dem Polit-Talk neuen Schwung geben soll und sonntagabends nicht nur über die x-te Wendung von Hartz IV, sondern auch mal über populäre Themen talken soll.