Die Kinder fühlen sich im Wald richtig wohl. Foto: Werner Kuhnle

Der Natur- und Erlebniskindergarten in Prevorst bietet Kindern etwas ganz Besonderes: den Wald, den sie als schönsten Spielplatz der Welt erleben. Eindrücke vermittelt unsere Freitagsreportage.

Oberstenfeld-Prevorst - Im Kindergarten in der Ortsstraße herrscht lebhaftes Stimmengewirr. Im Garderobenraum sitzen 13 Kinder, zum Teil schon fertig angezogen mit Matsch- und Buddelhose, Anorak, festen Schuhen und Mütze, andere lassen sich dabei noch ein wenig von der Kindergartenleiterin Anita Bausch und dem Erzieher Bernd Kazenwadel helfen. Heute geht es zu einem ganz besonderen Spielplatz: dem Wald.

Vor dem Kindergarten packt der Erzieher noch seine Gitarre auf den Leiterwagen, auf dem sich schon allerlei Nützliches befindet. Zwei und zwei marschieren die Kinder aufgeregt schwatzend am Rand der Ortsstraße entlang. An der Einmündung zur Stocksberger Straße heißt es: „Jetzt dürft ihr flitzen!“, und in Sekundenschnelle löst sich die niedliche Doppelschlange auf. Geflitzt wird aber nur bis zum Holzhaus, denn das ist der erste der vereinbarten Haltepunkte. Bevor alle bis zum nächsten Stopp wieder losrennen, macht Anita Bausch auf ein lautes Zwitschern aufmerksam: „Hört ihr das, was ist das?“, fragt sie. „Vogel!“, rufen ein paar Kinder. „Und wo sitzen die wohl?“ Eifrig schauen die Kleinen umher und verkünden dann stolz: „Auf dem Dach!“

Auf dem nächsten Wegstück bis zum Holzstapel entwickelt ein Junge seine ganz eigene Fortbewegungsweise: Mit konzentriertem Gesichtsausdruck geht er rückwärts. Anita Bausch lässt ihm seinen Willen: „Es wäre schade, die Kinder bei so etwas zu stören. Uns ist es wichtig, dass jedes Kind seinen eigenen Rhythmus findet und seine Herausforderungen sucht.“ Beim Kastanienbaum gibt es einen Fotostopp. „Wir machen jede Woche ein Bild“, erklärt Bernd Kazenwadel. „So kann man festhalten, wie er sich mit den Jahreszeiten verändert.“ Jubelnd reckt eines der Kinder die Arme in die Luft: „Der Herbst ist da, der Herbst ist da!“

Wenig später sind alle am Bauwagen angekommen. Die Kinder hängen ihre Rucksäcke an die Garderobe, dann laufen sie ein Stück weiter und setzen sich auf ein Rechteck aus Baumstämmen. Dort sagen sich alle Guten Morgen, dann gibt es ein kleines Frage- und Antwortspiel zu Tag, Monat, Jahr und Jahreszeit. „Woran merkt man, dass es Herbst ist?“, will Anita Bausch unter anderem wissen. „Die Blätter fallen!“, ruft ein Kind, „Die Blätter werden braun und bunt!“, ein zweites, und „Es wird kälter!“, ein drittes. Dann packt Bernd Kazenwadel seine Gitarre aus, und die Kinder singen gemeinsam „Huihuihui!“, das Lied vom Herbstwind, hüpfen dazu und wedeln mit den Armen.

„Der Morgenkreis ist ein Ritual, das Sicherheit bietet und das Ankommen markiert“, erklärt Anita Bausch. Gefrühstückt wird nach dem sorgfältigen Händewaschen am mitgebrachten Wassertank am Bauwagen. Für jedes der Kinder gibt es einen niedrigen Holzklotz mit Sitzkissen an dem Tisch, der wie das meiste hier von den beiden Erziehern zusammen mit den Kindern oder auch von den Eltern selbst gemacht ist. Der Wind streicht durch die Wipfel, und mit großen Augen bestaunen die Kinder die herabrieselnden Blätter, die zum Teil in den bunten Vesperboxen landen. Als das Frühstück beendet und alles aufgeräumt ist, dürfen sie frei spielen. Ein paar klettern auf allen vieren einen Hang hoch und rutschen ihn quietschend wieder herunter, zwei andere stehen an der kleinen Werkbank und bearbeiten Äste mit Bohrer und Säge. Anita Bausch hat die kleinen Handwerker sicherheitshalber im Blick, lässt sie aber ansonsten gewähren: „Die Kinder spüren selber, was sie können und was nicht“, betont sie. Andere lassen ihrer Fantasie freien Lauf. Da wird ein Holzklotz mit einem dünnen Ast daran zur Kaffeemaschine, die Feuerstelle wird zum Kaufladen.

Manchmal gehen alle auch gemeinsam los und suchen Tierspuren oder Pilze. Vor allem, wenn es kalt ist, sollen sich die Kinder warmlaufen. Und wenn das Wetter während einer der monatlichen Waldwochen gar zu schlecht ist – was allerdings in dem knappen Jahr, seit es den Natur- und Erlebniskindergarten gibt, kaum vorgekommen ist –, kann man sich auch im Bauwagen aufwärmen, malen, basteln oder einer Geschichte lauschen. Im Bauwagen findet sich auch ein Bestimmungsbuch, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn eines der Kinder einen Pilz, einen Käfer oder ein anderes Tier entdeckt hat. Dabei gilt: Nicht anfassen, sondern einen der Erzieher holen. Und das wird auch brav befolgt. Wobei Anita Bausch da gleich widerspricht: „Wir haben keine braven Kinder, sondern verantwortungsbewusste Kinder.“ Kinder, die mit der Natur groß werden und so auch ganz viel über sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten lernen.