Die Kunden des Hofladen Heß können alle Zulieferer selbst besuchen, um sich zu vergewissern. Die Waren kommen aus einem Umkreis von 30 Kilometern.
Oberstenfeld - Dunkle, blaue Muskattrauben liegen ausgebreitet vor Peter Zeh auf der Ladentheke. Der 47-jährige Außendienstler aus Ulm hat spontan angehalten, als er die liebevoll dekorierten Kürbisse vor dem Laden am Fuße des Lichtenbergs in Oberstenfeld sah. „Ich möchte meiner Frau etwas mitbringen“, erklärt Zeh, während ihm Sarah Heß die Trauben aus dem heimischen Wengert einpackt. Er suche typische Früchte der Region, keine importierte Ware. „Außerdem stört mich die Gleichförmigkeit des Obstes in den Supermärkten“, sagt Zeh. Ein Apfel gleiche dem anderen, „das sieht mir zu sehr nach Industriefertigung aus“.
Den Hofladen habe er nicht aus einem Faible für Bauernhöfe angefahren, gesteht Zeh, aber die Sehnsucht nach unverfälschter Ware wirke wohl zumindest „unterbewusst“. Was er damit meint, ist ein Umdenken in Sachen Ernährung, das in den vergangenen Jahren um sich gegriffen hat. So gibt es immer mehr Veganer oder zumindest Menschen, die sich bewusster ernähren. Immer mehr Verbraucher wollen wissen, was sie genau verzehren. Sie misstrauen industriell gefertigten Produkten, in denen sich die Massentierhaltung widerspiegelt. Ein hoher Zuckeranteil und Konservierungsmittel erhöhen das Krankheitsrisiko.
Der Hofladen-Betreiber Markus Heß will dagegen mit offenen Karten spielen: „Bei mir wissen die Kunden, woher die Erzeugnisse stammen.“ Vom Landwirt direkt zum Kunden – das ist das Prinzip, an dem die Familie aus Oberstenfeld eisern festhält. Fast alle Produkte, die sie nicht selbst herstellt, kauft sie von anderen Bauern im Umkreis von 30 Kilometern ein. „Wir kennen die Betriebe, und wir bürgen mit unserem Namen dafür, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht“, sagt Markus Heß. Schließlich könnten Interessierte auch hinfahren und sich mit eigenen Augen davon überzeugen.
Die Anfänge des Heß’schen Hofladens liegen schon ein halbes Jahrhundert zurück. Der Senior-Chef Werner Heß baute die Geflügelzucht aus, indem er Kartoffeln, Eier und hausgemachte Dosenwurst an der Haustüre verkaufte. Mit einem mobilen Bringeservice fasste er außerdem im Laufe der Zeit in Untergruppenbach-Heinriet und im Marbacher Süden sowie dessen Stadtteil Hörnle Fuß. Dorthin fährt der Sohn Markus Heß auch heute noch an jedem Donnerstag und Freitag. „Wir haben in diesen beiden Orten eine besonders treue Kundschaft.“ Der Junior entschied sich Ende der 1990er Jahre, den elterlichen Betrieb weiterzuführen. Im Jahr 1998 ist der ehemalige Kuhstall umgebaut worden, ein Jahr später eröffnete die Familie den etwa 50 Quadratmeter großen Laden.
Die Türglocke läutet an diesem Nachmittag ständig. Unter den Kunden ist auch Carmen Tiszekker. Die Fußpflegerin aus Oberstenfeld hält bei ihren Touren regelmäßig am Hofladen. Wie sonst auch kauft sie Eier, Kartoffeln, Äpfel und Dosenwurst. „Ich weiß, was ich hier an Qualität bekomme“, sagt die Stammkundin. Der Rundgang durch den Warenbestand zeigt, dass sich die Familie Heß bei der Einrichtung viele Gedanken gemacht hat. Letztlich hat ein Innenarchitekt die Strukturen vorgegeben: Links die massive Theke mit Kassenbereich und angegliedertem Bereich für das Geflügel-, Käse- und Wurstangebot. Hinten links der Mehlbestand für Do-it-your-self-Bäcker, die unter anderem zu Dinkel greifen. „Wir haben auch Kunden, die unter einer Weizenallergie leiden“, erklärt Markus Heß. Gleich daneben eine kleine Gemüseauslage mit Tomaten und Gurken sowie die Kühltruhe, in der sich ausschließlich Milchprodukte der Pflugfeldener Firma Dobler finden. Stolz ist Markus Heß auf die Vorzugsmilch: „Das ist im Grunde die Milch, die ich früher mit dem Kännle beim Bauern geholt habe.“ Sie halte gekühlt etwa vier Tage und werde vor allem von Familien mit kleineren Kindern gekauft.
Gleich neben der Milch lagert die Hausmacher-Dosenwurst des Möglinger Hofes Brosi. „Ich kühle diese Ware, um gerade bei hohen Temperaturen eine zusätzliche Sicherheit zu bieten“, sagt Markus Heß. Nebenan lädt eine Knabberecke ein, um sich mit Dinkel-Müsli einzudecken. Die Gläser mit Spreewald-Gurken sollen das schwäbische Vesper mit der benachbarten Hausmacherwurst abrunden.
Das große Regal gegenüber der Wurst- und Käsetheke dient als Aufbewahrungsort für voluminöse Verpackungen: Nudeln und Kaffee sind dort in unterschiedlichen Größen ausgestellt. „Der Kaffee ist aus der Edelrösterei Hagen in Heilbronn“, erzählt Markus Heß, der vor allem Waren anbieten will, die es im Supermarkt so nicht gibt. Dazu zählt auch der Eierlikör, den seine Mutter Emma hergestellt hat. „Sie ist gemeinsam mit meiner Frau Sarah das Gesicht des Ladens – ohne die beiden wäre das alles hier nicht möglich.“ Aus den Produkten des Hofladens bereiten die beiden Frauen auch selbst viel zu: wie etwa den Kürbis-Quark-Kuchen (siehe Rezept).
Eine schnelle Erweiterung haben die Heß’ nicht im Sinn. Langfristig hoffen sie aber, dass die Verbraucher in Oberstenfeld sich noch stärker als bisher für die nachhaltige Nahrung frisch vom Hof interessieren. Markus Heß macht das am Beispiel der Kartoffeln fest, die in der Mitte des Ladens ihren Platz haben. „Man kann mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln enorme Erträge erzielen – aber das ist nicht meine Art.“ Er setze nur das Nötigste für den Pflanzenschutz ein. Das schmecke man raus. „Die Kunden erzählen uns, wenn sie mal fremdgegangen sind – und sagen uns danach oft, wie schön es ist, dass es uns gibt.“