Wer wird im Januar 2013 auf dem Sessel im Dienstzimmer des Stuttgarter Oberbürgermeister Platz nehmen? Die Kandidatensuche läuft. Foto: Piechowski

Nach der Verzichtserklärung von Schuster sortieren sich die Lager für die OB-Wahl neu.

Stuttgart - Amtsinhaber Wolfgang Schuster ist bei der nächsten Stuttgarter OB-Wahl nicht mit von der Partie - seit das feststeht, überarbeiten die Parteien in Stuttgart das Wunschprofil der Kandidaten, die sie gewinnen wollen. Am Dienstag, dem Tag nach Schusters Verzichtserklärung, kam die Diskussion weiter auf Touren.

Es ist kein leichter Job im Rathaus, um den die Parteien kämpfen.

Das Stellenprofil: Fast 20000 Mitarbeiter gibt es im Konzern Stadt Stuttgart, doch für den OB, springen nur rund 140000 Euro im Jahr heraus. Das entspricht der Besoldungsgruppe B11, mit der sich der Chef eines ähnlich großen Privatunternehmens kaum abfinden würde. Das Gros der Einnahmen aus Aufsichtsratstätigkeiten muss der OB abführen. Im Rathaus darf er nicht nur die Verwaltung führen und Projekte schmieden. Er muss auch noch ständig um ausreichend Zustimmung von den Stadträten ringen - und ist ständig auf dem öffentlichen Präsentierteller. Die Medien beobachten ihn, die Bürger sind gerade in Stuttgart sehr kritisch.

Wer würde in dieser Lage passen? Wer könnte über die Lager von S21 und der Parteien hinweg Stimmen holen?

Unter diesen Aspekten sortieren sich die Parteien jetzt neu, weil feststeht, dass der Amtsinhaber das Feld räumt. Klar ist: Wer als Kandidat präsentiert wird, muss die OB-Arbeit erfolgreich bewältigen können.

Die Idee vom gemeinsamen Kandidaten: Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl gab solchen Spekulationen Auftrieb. Es sei denkbar, dass sich die Parteien auf einen Kandidaten einigen, ließ er sich vernehmen, denn es gebe in Stuttgart eine Sehnsucht nach Frieden. Parteipolitische oder ideologische Scheuklappen sollten daher abgelegt werden. Auf jeden Fall wolle man sich mit FDP und Freien Wählern auf einen Bewerber verständigen.

Auch in der CDU wird das als etwas blauäugige Betrachtung eingestuft. "Das könnte sogar heißen, dass am Ende ein Unternehmer aus Düsseldorf antreten soll, der keiner Partei angehört und bisher nur seine Firma geführt hat", kritisiert ein Mitglied der Stuttgarter CDU. Wenn jemand eine so große Verwaltung führen, politischer Kopf im Rathaus und der zweitwichtigste Politiker im Land sein solle, brauche es viel Erfahrung - auch mit der Kommunalpolitik und den Medien. "Das kann man nicht erst in einem sechsmonatigen Wahlkampf lernen und bei Amtsantritt parat haben."

Stimmenkönigin der Grünen bestätigt Ambitionen

Bei den Grünen gibt es Mitglieder wie die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, die ebenfalls eine fraktionsübergreifende Kandidatenauswahl ausloten möchten. Den Menschen komme es vor allem auf einen Aufbruch nach den Querelen um S21 an. "Zugespitzt ausgedrückt: ,Dass man Unterschriften von den Bürgern annimmt."' Auch bei der Kandidatenfindung müsse man auf Verwurzelung in der Stadt achten. Vielleicht werde es am Ende ja doch nur auf gemeinsame Kandidaten der bekannten Lager, räumt sie ein. Aber das sei wichtig genug. Sie wünscht sich, dass Grüne und SPD nicht nur über ein gemeinsames Angebot ab dem zweiten Wahlgang nachdenken, sondern schon beim ersten Wahlgang.

Die reale Lage bei den Grünen: Bei ihnen kursierten diverse Namen. Die Freiburger Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae soll aber schon wieder abgesagt haben, hieß es in Parteikreisen. Die Stuttgarter Landtagsabgeordnete Muhterem Aras, landesweit Stimmenkönigin der Grünen, bestätigt Ambitionen nicht - und dementiert sie nicht. Auch die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, die öfters genannt wird, vermeidet Festlegungen. Bei ihr sei nicht offiziell angefragt worden. Sie habe sich noch keine Gedanken gemacht.

Die Grünen wollen nicht nur Namen ernsthafter Aspiranten geheim halten, sie wollen es auch vermeiden, durch Absagen den Kreis der Verdächtigen einzuengen. Dieser Strategie könnte auch die Äußerung des Stuttgarter Verwaltungsbürgermeisters Werner Wölfle geschuldet sein, dass es falsch wäre, von vornherein zu sagen, dass er die Kandidatur auf keinen Fall übernehmen wolle. Boris Palmer, 2004 Kandidat in Stuttgart, verweist auf seine Aufgaben als Tübinger OB.

Die Situation bei der CDU: Bei ihr ist am Montag der Göppinger Landtagsabgeordnete und frühere Staatssekretär Dietrich Birk wieder ins Gespräch gekommen. Birk zeigt sich "sehr überrascht". Die Nennung seines Namens sei reine Spekulation. Er sei nicht angesprochen worden und habe keine Gespräche geführt. Gesprächsbereit sei er grundsätzlich immer in allen Zusammenhängen. Die OB-Kandidatur sei für ihn aber bisher kein Thema. Sein Problem: Er war Mitglied der alten Landesregierung unter Stefan Mappus. In und außerhalb der CDU ist das nach der Wahlschlappe nachteilig.

Der frühere Landessozialminister Andreas Renner, heute bei der EnBW, gilt in Stuttgarter CDU-Kreisen als Mann, der die formalen Voraussetzungen mitbringen würde. Er war auch schon OB in Singen am Hohentwiel. Allerdings gilt er als Politiker mit losem Mundwerk. Als Schirmherr der Schwulenparade Christopher Street Day erregte er Unmut bei der Katholischen Kirche. Seine Retourkutsche mit Äußerungen über das Sexualverhalten von Geistlichen führte zum Streit mit dem katholischen Bischof Gebhard Fürst - und zum Rücktritt. Davor hatte er schon gesagt, der damals umstrittene George W. Bush gehöre als US-Präsident "abgeschossen". Das haftet Renner noch an. Zudem wolle er lieber Konstanz für die CDU zurückerobern, glauben Parteifreunde.

Sondersituation SPD: Sie will zwar auch bis Mitte Februar parteiintern die Auswahl treffen. Auf eine öffentliche Präsentation Mitte März, wie es andere Parteien planen, wollte sich die Findungskommission am Montagabend aber nicht festlegen.