Atmosphärisch erwies sich das Podium als recht harmonische Veranstaltung. Dazu beigetragen haben mochte die Deko mit vielen Topfblumen und Grünpflanzen. Foto: Horst Rudel

Bei einer Podiumsveranstaltung in der Nürtinger Stadthalle werben die vier Oberbürgermeister-Kandidaten für sich. Geht es nach dem Applaus des Publikums, haben zwei Bewerber die Nase vorn. Gewählt wird am 5. Mai.

Nürtingen - Wir werden keine Wolkenkuckucksheime bauen können“ – bei der Podiumsveranstaltung am Freitagabend in der Nürtinger Stadthalle hat der Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl am 5. Mai, Johannes Fridrich, für den Fall eines Wahlsiegs eine Konzentration auf die Pflichtaufgaben der Stadt angemahnt. Oberste Priorität haben für den Richter und Sprecher am Landgericht Stuttgart der Ausbau der Kinderbetreuung und die Sanierung der Schulen. Vieles Wünschenswerte lasse die Haushaltslage der Stadt Nürtingen einfach nicht zu. „Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann“, sagte der 41-jährige Jurist in der voll besetzten Stadthalle.

Sein härtester Konkurrent, der Wolfschlugener Bürgermeister Matthias Ruckh, beurteilt den finanziellen Spielraum der rund 40 000 Einwohner zählenden Großen Kreisstadt, optimistischer. Im Vergleich mit anderen Kommunen halte sich die Verschuldung der Hölderlinstadt noch in überschaubaren Grenzen, so der 49-Jährige.

Die von der „Nürtinger Zeitung“ moderierte Veranstaltung setzte verschiedene Themenblöcke, zu denen die Bewerber – neben Ruckh und Fridrich haben der Berufsoffizier Jochen Wahler (51) und der Zimmerermeister Martin Böhm (48) ihren Hut in den Ring geworfen – Stellung bezogen. Reizthema Nummer eins in Nürtingen ist in den vergangenen Monaten der Bau eines Hotels am Neckar gewesen. Was eine mögliche Bebauung an den Ufern angeht, sprachen sich alle vier Kandidaten unisono für Zurückhaltung aus. „Kein Hotel am Neckar an diesem Standort“, bezog Matthias Ruckh klar Position. „Ein Hotel am Neckar halte ich nicht für zielführend. Mit mir nicht“, sagte Jochen Wahler. Der Planung zufolge sollte das Hotel auch einen Biergarten beinhalten. „Ein Business-Hotel und ein Biergarten passen nicht zusammen“, meinte Johannes Fridrich.

Inhaltlich werden keine gravierenden Unterschiede deutlich

Inzwischen liegen die Hotelpläne nach Bürgerprotesten auf Eis. Bauvorhaben gibt es aber auch auf der gegenüberliegenden Neckarseite mit dem Wohnpark Wörth. Hier kann sich Matthias Ruckh statt der beschlossenen zweireihigen Bebauung auch eine Abspeckung auf eine Häuserzeile vorstellen. Dem Diplom-Verwaltungswirt ist es wichtig, gerade wegen der anvisierten Bewerbung Nürtingens um eine Landesgartenschau Freiräume am Neckar zu erhalten. Mit Blick auf das Wörth würde er als neuer Nürtinger Oberbürgermeister das Gespräch mit den Investoren suchen, die die Grundstücke dort gekauft haben. Dasselbe möchte auch Johannes Fridrich tun.

Überhaupt sind bei dem Kandidatencheck zwischen den beiden Favoriten auf die Nachfolge von Otmar Heirich (SPD), der nach zwei Amtszeiten aus Altersgründen nicht erneut antritt, inhaltlich keine gravierenden Unterschiede deutlich geworden. So stellten sich beispielsweise beide hinter die von der Verwaltung und einer Mehrheit des Gemeinderats favorisierte Modernisierung des Hölderlinhauses. Diese sieht eine Entkernung des Gebäudes und eine „Haus-in-Haus-Lösung“ vor, die vom örtlichen Hölderlinverein aber abgelehnt wird.

Verkehr ist ein großes Thema

Beim Thema Landesgartenschau machte Martin Böhm den Schwenk zur Verkehrssituation, die sein Steckenpferd darstellt und, wie er selbst bekundet, letztlich den Anstoß für seine Bewerbung gab. „Das ist für mich eine Bundesstraßenschau“, spitzte es Martin Böhm bewusst zu. Für den Kandidaten ist die Verkehrsbelastung der Stadt durch die Bundesstraßen 313 und 297 das alles überragende Thema. Martin Böhm schlägt drei Tunnel vor, um die Bürger von der Blechlawine zu befreien.

Tunnellösungen sind für Oberensingen und Neckarhausen in der Vergangenheit bereits diskutiert worden. Allerdings sind sie wegen der Kosten und der geringen Chancen auf Umsetzung im Bundesverkehrswegeplan aus dem Fokus der Nürtinger Kommunalpolitik geraten. Matthias Ruckh indessen machte Hoffnung, dass wenigstens der Schwerlastverkehr in absehbarer Zeit aus Neckarhausen und Reudern verbannt werden könnte.

Alle Bewerber sind Nürtinger und parteilos

Atmosphärisch erwies sich das Podium als recht harmonische Veranstaltung. Keiner der Bewerber suchte die Konfrontation. Dazu beigetragen haben mochte die Deko mit vielen Topfblumen und Grünpflanzen. Das Bühnenbild in der Stadthalle sollte die Gartenschaubewerbung widerspiegeln. Offensichtlich wirkte sich die Umgebung auf das Männerquartett entspannend aus. „Für mich ist Grünzeug natürlich wichtig“, sagte Jochen Wahler mit Blick auf das Thema Landesgartenschau augenzwinkernd.

Humor und Lockerheit – diese Eigenschaften sind in Zeiten von Social Media gerade auch im politischen Geschäft unverzichtbar. Johannes Fridrich hat diese Erkenntnis verinnerlicht. Quirlig und gestenreich untermauerte er („mir geht in Nürtingen alles viel zu langsam“) seine Ambitionen ebenso wie Matthias Ruckh, der Ruhe, Verbindlichkeit und Kompetenz ausstrahlt. Alle vier Bewerber eint, dass sie in Nürtingen wohnen und parteilos sind. Am 5. Mai werden die Bürger entscheiden, wen sie zum Nachfolger von Otmar Heirich wählen. Der Applaus der Zuhörer beim Podium am Freitag machte klar: Die Entscheidung fällt zwischen Matthias Ruckh und Johannes Friedrich. Und die Chancen stehen „fifty fifty“.