Harald Hermann Foto: PPFotodesign.com

Harald Hermann geht für die Piratenpartei ins Rennen um den Posten des OB in Stuttgart.

Stuttgart - Die Chancen einer Wahl sind eher gering. Doch das ficht ihn nicht an. Harald Hermann spricht im Interview über den Wahl-o-Mat, Defizite bei der Kinderfreundlichkeit und zu viel scheußliche Architektur.


Herr Hermann, Sie wurden von 15 der 26 stimmberechtigten Mitglieder zum OB-Kandidaten Ihrer Partei gekürt. Diese hat zurzeit in Stuttgart 254 Mitglieder. Keine grandiose Legitimation, oder?
Ich finde, das reicht. Ich hätte mir zwar etwas mehr Teilnehmer erwartet, aber es steht eben jedem frei, hinzugehen oder nicht. An Unterstützung wird es im Wahlkampf trotzdem nicht fehlen. Wenn es gilt, sind die Piraten plötzlich da, auch aus dem Umland.

Bekommen Sie überhaupt die 250 Unterstützer-Unterschriften zusammen, die für Ihre Bewerbung notwendig sind?
Das ist keine Schwierigkeit. Wenn unsere Mitglieder unterschreiben, außerdem Mutter, Oma oder Opa, reicht es locker. Aber ganz im Ernst: Bei der letzten Landtagswahl hat jeder unserer vier Kandidaten in Stuttgart 150 Unterschriften beigebracht.

Sie arbeiten zwar in der Stadtverwaltung, aber nicht auf der Führungsebene. Und Erfahrung mit Kommunalpolitik haben Sie nicht. Wären Sie als OB nicht heillos überfordert?
Ich denke nicht. Ich weiß, wie die Prozesse in der Verwaltung laufen, organisatorisch und sozial. Ich habe bei der Einführung von EDV-Verfahren Teams geleitet. Auch die finanzielle Steuerung würde mich nicht überfordern. Die Kameralistik ist passé, und mit dem neuen doppischen Haushaltsverfahren habe ich aus früheren Tätigkeiten Erfahrung. Ich setze eher auf Kooperation als auf Weisungen. Außerdem würden mich hochgradige Fachleute unterstützen.

In der Kommunalpolitik muss ein OB auch Dompteur und Organisator von Mehrheiten sein. Damit haben Sie doch null Erfahrung.
Ich hielte es für falsch, den Dompteur geben zu wollen. Die Probleme und Themen sind bekannt. Der Rest ist mit rationalem Verhalten zu lösen – und mit Kommunikation.

Was sind die Hauptprobleme?
Da sind die Haushaltslage und die Notwendigkeit, nach dem Streit um Stuttgart 21 wieder zu versöhnen. Es gibt nach wie vor Befürworter, Gegner und jene, die dieser Konflikt ankotzt. Um da zu einer Lösung zu kommen, muss man klären, was schieflief und wie man es besser machen kann.

Wo stehen Sie bei der Frage Stuttgart 21?
Ich bin Bahnhofskritiker, betrachte mich aber nicht als Lagermensch. Um aus dem Schlamassel rauszukommen, muss man das Geschehene aufarbeiten, ohne Schuldzuweisungen. Ich halte es für falsch, sich über Kosten zu streiten, solange man noch nicht weiß, was genau man bauen will.

Wollen Sie noch mal einen Untersuchungsausschuss zum 30. September 2010 mit den Zusammenstößen im Schlossgarten?
Keinen Untersuchungsausschuss, aber nach wie vor ist offen, ob es eine Beeinflussung der Polizei durch die Politik gab oder nur ein Versagen der Polizeileitung. Man muss Stefan Mappus nicht bestrafen, aber er sollte sagen: Ich habe einen Fehler gemacht. Nur dann befriedet man. Ich war im Schlossgarten dabei. Ich verstehe die Gegner. Ich dachte auch: „Das ist nicht mehr mein Stuttgart.“

Was ist insgesamt schiefgelaufen bei S 21?
Der erste Fehler war, dass man nicht recht wusste, was man bauen will. Den Ersatz für den Omnibusbahnhof hat man einfach vergessen. Dann hat man das Projekt nicht einer vernünftigen Kritik ausgesetzt, sondern mit Hochglanzprospekten durchzusetzen versucht. Als die plötzlich entzaubert wurden, hätte man noch mal vernünftig planen müssen, auch wenn das weitere zwei Jahre Zeit und zwei Milliarden Euro Mehrkosten bedeutet hätte. Von da an ist alles eskaliert.