Laut den Behörden Foto: dpa

Dank einem ausgeklügelten System hat ein Nürtinger Unternehmer Scheinrechnungen dazu verwendet, um Schwarzarbeiter zu bezahlen. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1,6 Millionen Euro unterschlagen zuhaben

Nürtingen - Gleich zu Beginn der Verhandlung am Stuttgarter Landgericht räumte der 43 Jahre alte Angeklagte alle Vorwürfe ein: Ja, er habe im Zeitraum zwischen November 2011 und März 2013 in seiner Nürtinger Brandschutzfirma zahlreiche Personen schwarz beschäftigt und diese auch mit Schwarzgeld bezahlt. Laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sollen der Sozialversicherung dadurch Beiträge in Höhe von 1,6 Millionen Euro vorenthalten worden sein.

Es klang nach mafiösen Strukturen und einem ausgeklügelten System, was der Angeklagte aus Hochdorf am Montag vor der großen Wirtschaftskammer offenbarte. Im Jahr 2010 hatte sich der heute 43-Jährige nach längerer Zeit als Angestellter eines Brandschutzunternehmens, in der Branche selbstständig gemacht. „Ich merkte schnell, dass ich als Angestellter nicht viel verdienen kann“, sagte er. Die Kontakte zu Unternehmen und potenziellen Auftraggebern seien bereits vorhanden gewesen, weshalb ihm der Einstieg leicht gefallen sei.

Gier war zu groß

Da es sich um eine Branche gehandelt habe, in der niedrige Löhne die Regel seien, ergänzte der Verteidiger des 43-Jährigen, hätten die Leute teilweise schwarz bezahlt werden wollen. „Er ist in diesen Trott reingekommen“, sagte der Anwalt weiter. Leicht sei es für seinen Angeklagten gewesen in Versuchung zu kommen, denn bereits nach kürzester Zeit seien Vertreter verschiedener Unternehmen, wie etwa Reinigungsfirmen, bei ihm vorstellig geworden und hätten ihm eine Möglichkeit aufgezeigt, wie er die Schwarzarbeit kostensparend und unbemerkt finanzieren könne.

In den 17 Monaten lief es Monat um Monat nach dem gleichen Muster ab. Firmenvertreter stellten dem Angeklagten Scheinrechnungen, sogenannte Abdeckrechnungen, über Beträge zwischen 50 000 und 70 000 Euro aus. Die Leistungen dafür seien nie erbracht worden. So konnte der Angeklagte seinen Gewinn schmälern und mit dem Schwarzgeld Mitarbeiter bezahlen. Für diesen Service kassierten die Firmen von den Rechnungsbeträgen zwischen zehn und 16 Prozent Provision ab.

Laut dem Angeklagten habe das ganz einfach funktioniert. „Sie meldeten sich monatlich telefonisch bei mir. Wenn die Zollbehörde nicht gewesen wäre, hätte ich weitergemacht“, gab er zu. Der Reiz und die Gier seien einfach dagewesen, sagte der zweifache Vater, der mit seinen Eltern, einfachen Arbeitern, einst aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist.

Sein Gewerbe hat der Angeklagte im September 2013 abgegeben. Da seine Konten im Zuge der Ermittlungen eingefroren worden waren, musste er Insolvenz anmelden. Heute arbeitet er für eine Firma im Außendienst. „Er hat schon vor der Insolvenz Forderungen eingetrieben, um Schadensbegrenzung zu betreiben“, hob sein Anwalt hervor. So sei eine Million Euro zusammengekommen, von der fast die Hälfte als Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt worden sei. Geständig zeigte sich der Angeklagte, da es im Vorfeld der Verhandlung Gespräche mit der Staatsanwaltschaft gegeben hatte. Im Falle eines Schuldeingeständnisses wurde ihm eine Strafe von einem Jahr und zehn Monaten in Aussicht gestellt.