Politiker hegt Zweifel an der Qualität eines Gutachtens – Der leitende Ankläger im Heilbronner Polizistenmord bewertete die Erinnerungsfähigkeit eines Überlebenden.
Stuttgart - Das Beweismittel 2.9.70 ist grau, die Ränder seiner Taschen sind schwarz, und es kann von Menschen getragen werden, die Größe XL über ihre Beine ziehen. Gefunden hat man die Trainingshose der Marke Identic im November 2011 in Zwickau in der Ruine eines Hauses in der Frühlingsstraße. In dem, so sind Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft überzeugt, lebten unerkannt Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Deren Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) soll zehn Menschen erschossen haben – im April 2007 in Heilbronn auch die Polizistin Michèle Kiesewetter.
Deren Blutspuren fanden Forensiker als „wenige bräunlich-rote, punktförmige Anhaftungen“ im unteren Bereich beider Hosenbeine. Damit – glauben Ermittler – könnte ein weiteres Indiz dafür erbracht werden, dass Böhnhardt und Mundlos die 22-Jährige ermordet haben. Zumal die bei der Bluttat in Heilbronn Kiesewetter und ihrem schwer verletzten Kollegen Martin Arnold entwendeten Dienstwaffen in dem Wohnmobil gefunden wurden, in dem sich die beiden Neonazis am 4. November 2011 in Eisenach erschossen. Und die beiden Pistolen, mit denen in Heilbronn auf die beiden Polizisten geschossen wurde, fanden sich im Brandschutt genau des Zwickauer Hauses, das Beate Zschäpe in Brand setzte. In einem Zimmer fand sich die graue Jogginghose.
Zweifel am Gutachten
Das Utensil untersuchte eine Biologin des Bundeskriminalamts. Sie fand an der Innenseite der Hose ein 31 Millimeter langes Haar, das ohne Zweifel Uwe Mundlos zuzuordnen ist. Zudem fanden sich in der Oberschenkeltasche des rechten Hosenbeins zwei gebrauchte Papiertaschentücher, die molekulargenetisch analysiert wurden. Auch hier besteht für die Wissenschaftlerin kein Zweifel, dass „die untersuchten Anhaftungen“ von Mundlos stammen. Ein in der Hose gefundenes Haar von Uwe Böhnhardt könne „auf jeden erdenklichen Weg dorthin gekommen sein“, sagte die Forensikerin den Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses.
Ihr Kollege, der inzwischen pensionierte Tübinger Rechtsmediziner Heinz-Dieter Wehner, untersuchte die Blutspuren Kiesewetters an der Trainingshose. Sein Ergebnis: dass „die Hose bei dem dynamischen Prozess dabei war“. Anders ausgedrückt: Als Kiesewetter erschossen wurde, stand jemand mit dieser Hose bekleidet so nahe an dem Streifenwagen auf der Theresienwiese, dass kleine Bluttröpfchen auf die Hose spritzten. Allerdings, sagte Wehner, heiße dies nicht, dass „der Hosenträger auch den Schuss abgegeben hat“. Vorstellbar sei auch, dass er nur neben dem Schützen gestanden habe. Während diese Schlussfolgerungen für alle Parlamentarier nahelegen, dass sich Mundlos am Tatort in Heilbronn befand, bewerten sie die Aussagen der Mediziner unterschiedlich, der verletzte Arnold könne sich nicht mehr an die Tat erinnern.
Während der Befragung durch die Politiker sagte ein Gutachter aus, er habe unmittelbar vor seinem Gespräch einen Brief des damals die Untersuchungen leitenden Staatsanwalts Christoph Meyer-Manoras bekommen, in dem der sich zur Erinnerungsfähigkeit Arnolds auslasse. Für den Grünen Jürgen Filius kommen auch deshalb Zweifel an der Qualität des Gutachtens auf. Zudem gab Pathologe Wehner zu Protokoll, dass Psychologen Erinnerungsreste wieder hervorholen könnten. Ermittler sind überzeugt, dass dies bei Arnold geschehen ist. Nach dessen Angaben war ein Phantombild gefertigt worden, das nie zur Fahndung genutzt wurde – weil Arnolds Erinnerungen von Meyer-Manoras angezweifelt wurden.