Staatlich geförderter Antisemitismus: Veit Harlans Film „Jud Süß“ kam 1940 in die Kinos. Foto:  

Werbung für den Nazi-Streifen: Das Sindelfinger Objekt des Monats ist eine Kinoanzeige in der Lokalzeitung.

Sindelfingen - Ein Spitzenfilmwerk aller Zeiten“, titelte die gleichgeschaltete Sindelfinger Zeitung im Jahr 1940 über den Film „Jud Süß“. Die Unterzeile lautet: „Die deutsche Filmkunst musste erst den Weg der letzten Jahre gehen, ehe sie ein Werk solcher Prägung schaffen konnte“. Das zeigt, woher der Wind in der deutschen Presse 1940 wehte, nämlich streng aus Richtung des Nationalsozialismus’.

Diese Zeitungsanzeige ist zur Zeit in der Vitrine des Sindelfinger Stadtmuseums zu sehen, als eines jener Objekte, die jeden Monat an die Zeit vor 80 Jahren erinnern sollen. 69 Objekte hat sich der Kulturamtsleiter Horst Zecha ausgesucht, jeden Monat wird ein anderes gezeigt. Das Projekt ist auf sechs Jahre angelegt, so lange wie der Zweite Weltkrieg dauerte.

Nachdem sich die Nazis 1933 an die Macht geputscht hatten, wurde das Kulturleben mehr und mehr im Sinne der völkischen Rassenideologie ausgerichtet. Besonders Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels hatte schnell erkannt, dass sich das Kino hervorragend für alle Arten von Propaganda nutzen lässt.

Es entstand eine Reihe von antisemitischen Filmen, unter anderem auch der Streifen „Jud Süß“ des Regisseurs Veit Harlan, der seine Karriere als Schauspieler begonnen hatte. Der Geschichte liegt das Leben von Joseph Süßkind Oppenheimer zugrunde, genannt Süß Oppenheimer. Er war der Finanzier des württembergischen Herzogs Karl Alexander, dessen aufwendige Hofhaltung er mit ungeheuren Summen finanzierte, die er wiederum durch Finanzgeschäfte und Steuern erwirtschaftete. Karl Alexander verstand es, die Schuld an der von ihm verursachten Finanzmisere auf seinen geheimen Finanzrat Süß Oppenheimer abzuwälzen. Als Karl Alexander starb, war Süß Oppenheimer dem Hass der Bürger und der Höflinge schutzlos ausgeliefert.

Angeklagt: Sexueller Umgang mit Christinnen

In einem in der württembergischen Geschichte beispiellosen Justizmord wurde er in einem Schauprozess zum Tod verurteilt. Die Anklagepunkte waren teils frei erfunden, teils mit falschen Beweisen untermauert. Die Anklage lautete auf Hochverrat, Majestätsbeleidigung, Beraubung der staatlichen Kassen, Amtshandel, Bestechlichkeit, Schändung der protestantischen Religion und sexuellen Umgang mit Christinnen. Am 4. Februar 1738 wurde er gehenkt, der Leichnam blieb sechs Jahre lang in einem eisernen Käfig am Stuttgarter Galgenberg zur Schau gestellt.

Schon bald wurde der Stoff für die Dichtung entdeckt, wobei die Schriftsteller zumeist den Justizmord in das Zentrum ihrer Werke stellten. Wilhelm Hauff schrieb die Novelle „Jud Süß“, der Königsberger Sozialist Albert Benno Dulk, der in Untertürkheim lebte, schrieb das Drama „Lea“, in dem er für die Emanzipation des Judentums eintrat.

Die Nationalsozialisten nutzten den Stoff dagegen für ihre Propaganda: „Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können“, schrieb Joseph Goebbels in sein Tagebuch. Die Sindelfinger Zeitung behauptete 1940: „Mehr als alle Worte, die jemals über die Judenfrage gesprochen wurden, stählt dieser Film unser völkisches und rassisches Gewissen.“

Die „Geierwally“ lief besser

Doch sahen das vermutlich nicht alle Sindelfinger so. Denn die Zeitung schreibt weiter, dass der in den Wochen zuvor gezeigte Film „Geierwally“, die dritte Verfilmung des Romans von Wilhelmine von Hillern, mehr Zuschauer angezogen habe. Sie schließt daraus: „diese Zahlen beweisen doch daß in unserem ländlichen Lebenskreise der volkstümliche Film höhere Besucherzahlen erreicht, als der anspruchsvolle.“

Obwohl der Film den Mord an sechs Millionen Juden vorbereitet hatte, schaffte es Veit Harlan, sich im Nachkriegsdeutschland zu rehabilitieren und kam vor Gericht immer wieder frei. Nach 1951 stieg er wieder in die Filmproduktionen ein. Er starb 1964 an einer Lungenentzündung, die er sich im Urlaub auf Capri geholt hatte.