Allen Protestplakaten zum Trotz: Der Nord-Ost-Ring wurde bereits mehrfach totgesagt, taucht aber seit Jahrzehnten immer wieder aus der Versenkung auf. Foto:  

Der Waiblinger Unternehmer Rüdiger Stihl präsentiert in Fellbach seine Vorschläge für einen überdeckelten Ringschluss – löst dort aber keine Begeisterung aus.

Fellbach - Eine in den Untergrund verlegte Autobahn könnte aus Sicht des Unternehmers Rüdiger Stihl die Verkehrsprobleme im Nordosten von Stuttgart lösen – und einen Ringschluss zwischen der B 27 im Kreis Ludwigsburg und der B 29 durchs Remstal schaffen. Erste Pläne für den 10,7 Kilometer langen Mega-Tunnel zwischen Fellbach und Kornwestheim hat der Gesellschafter des Waiblinger Motorsägenherstellers bereits im Januar öffentlich präsentiert.

Schon wegen der verhärteten Fronten in der Diskussion um den Nord-Ost-Ring – nach einer jahrzehntelangen Debatte um Lärm, Feinstaub und Flächenverbrauch – waren die Vorschläge durchaus auf Interesse gestoßen – dass eine vierspurige Autobahn übers Schmidener Feld nicht nur die besten Ackerböden Deutschlands vernichten würde, sondern in einer dicht besiedelten Region auch für Mensch und Natur eine extreme Belastung darstellt, ist schließlich eine nicht nur unterm Kappelberg geteilte Erkenntnis.

Unterstützung auch von Bosch, Lapp und Trumpf

Am Dienstagabend durften Stihl und seine Mitstreiter die Idee von der für etwa 1,4 Milliarden Euro in den Erdboden versenkten Doppelröhre auch den Fellbacher Stadträten ausführlich vorstellen. Der Unternehmer sprach von einer großen Chance, den Dauerstau in der Region zu lindern und gleichzeitig den Landschaftsverbrauch im Rahmen zu halten. Seine Initiative „Landschaftsmodell Nord-Ost-Ring“ wird auch von den Firmen Bosch, Lapp und Trumpf unterstützt. „Wir wollen mehr als nur einen Tunnel, wir streben die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie an“, warb er bei der Sondersitzung im Mörikesaal der Schwabendlandhalle für seine Idee. Rüdiger Stihl bezeichnete sich als entschlossenen Gegner eines oberirdisch geführten Nord-Ost-Rings und nannte den in den Untergrund versenkten Ringschluss ein „Leuchtturm-Projekt“ mit einem bundesweiten Vorbildcharakter.

Begeisterung freilich löste der Unternehmer mit seinem Vorschlag in Fellbach nicht aus. Sowohl die Stadtverwaltung als auch die Bürgervertreter reagierten am Dienstag ausgesprochen skeptisch auf die Idee mit der Tunnellösung. Das fängt bei den Vertretern der Landwirtschaft an, die große Sorge haben, dass der fruchtbare Ackerboden auf einer Großbaustelle buchstäblich unter die Räder kommt. Nur ein Teilabschnitt der 10,7 Kilometer langen Tunneltrasse – die unter dem Neckar bis kurz vor der Oeffinger „Todeskreuzung“ vorgesehene Doppelröhre – soll tatsächlich in bergmännischer Bauweise gebohrt werden. Ausgerechnet im Bereich des Schmidener Felds, aber auch vor Kornwestheim, sehen die Planer eine offene Bauweise vor. Der Graben für den Tunnel wird von oben ausgebaggert und nach dem Bau der Röhre wieder verfüllt beziehungsweise mit einem Betonkasten eingehaust.

Die Landwirtschaft hat große Zweifel

Dass über dem Tunnel dereinst wieder Kartoffeln, Mais und Weizen gedeihen, bezweifelten die Stadträte Peter Treiber (FW/FD) und Richard Kauffmann (CDU) stark – auch wenn der von der Initiative aufgebotene Hohenheimer Bodenkundler Karl Stahr eine schonende Trennung der Erdschichten und einen Verzicht auf parallel laufende Baustraßen versprochen hatte. Kritik am aus seiner Sicht „nicht realistischen“ Bauablauf äußerte neben den Landwirten auch der Architekt Andreas Möhlmann (SPD). Er stellte die Idee vom Tunnel aber auch grundsätzlich infrage: „Sie wollen eine neue Straße bauen – planerisch ist das der gleiche Dinosaurier wie der oberirdische Nord-Ost-Ring, auch wenn da ein paar Grünflächen drüber sind“, sagte er.

Ebenfalls grundsätzlich wurde Ulrich Lenk in seinem Wortbeitrag: Der FW/FD-Fraktionschef merkte an, dass es auch bei einem untertunnelten Nord-Ost-Ring ein Kardinalfehler bleibe, dass der Kappelbergtunnel schon jetzt an der Kapazitätsgrenze sei und eine Filderauffahrt fehle. Lenk nannte die Vorschläge zwar einen „deutlichen Fortschritt“ im Vergleich zu den bisherigen Plänen, sah sich aber mit seiner SPD-Kollegin Sybille Mack auf einer Linie: Noch seien zu viele Fragen offen, als dass man sich wirklich eine abschließende Meinung bilden könne. Vor allem aber stützt sich die Machbarkeitsstudie der Initiative offenbar auf Zahlenmaterial, das aus Fellbacher Sicht grob fehlerhaft und längst überholt ist.

Die Stadt sagt: Die Zahlen sind grob fehlerhaft

Seit Jahren mahnt die Stadt bei der Region an, unstimmige Daten über die Verkehrsentwicklung und vor allem die angebliche Entlastungswirkung korrigieren zu lassen – jetzt wird erneut mit dem Rechenmodell argumentiert. „Die Zahlen können so nicht stimmen, für uns ist ziemlich unverständlich, dass Sie so etwas präsentieren“, ätzte Baubürgermeisterin Beatrice Soltys. Über den Nord-Ost-Ring sollen täglich 67 000 Fahrzeuge rollen, die Entlastung für Remseck wird mit 16 000, für Waiblingen mit 3500, für Fellbach mit 3000 und für den Pragsattel mit 7000 Fahrzeugen angegeben. Zugleich wiederholen Stihl und seine Mitstreiter die Behauptung, dass die neue Trasse angeblich keine überregionale Magnetwirkung hat.