Die Namenswand an der KZ-Gedenkstätte am alten Engelbergtunnel Leonberg Foto:  

Immer wieder erleichtern sich Menschen auf dem Gelände am alten Engelbergtunnel, teilweise auch hinter der Wand mit Namen von KZ-Opfern. Die KZ-Gedenkstätteninitiative fordert, einen Gemeinderatsbeschluss für eine WC-Anlage schnell umzusetzen.

Rund 50 000 Euro – das war der SPD dann doch zu teuer. Ausführlich diskutiert hatte der Leonberger Gemeinderat kürzlich, als es um das Aufstellen eines Toilettenhäuschens an der KZ-Gedenkstätte am alten Engelbergtunnel ging. Beschlossen hatten die Räte das im vergangenen Frühjahr, auch bestellt war der Container bereits. Wegen der steigenden Materialkosten erhöhte der Hersteller jedoch die Preise, statt ursprünglich eingeplanten 30 000 Euro wird der Container inklusive Anschlüssen, Aufbau und Infrastruktur 20 000 Euro teurer.

Eindeutige Hinterlassenschaften

Nicht darstellbar sei diese Summe, kommentierte die SPD in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Grüne und Freie Wähler argumentierten dagegen – der Container kommt trotzdem. Die rasche Umsetzung des Beschlusses fordert nun die Initiative, die sich um den Betrieb der Gedenkstätte kümmert. „Man stelle sich Folgendes vor“, so die Vereinsvorsitzende Marei Drassdo. „Der Sohn eines ehemaligen Häftlings des KZ Leonberg besucht die Gedenkstätte und bekommt mit, dass sich jemand hinter der Namenswand erleichtert.“

Jedes Frühjahr würden der Tunnel und das Vorgelände von den Ehrenamtlichen gereinigt werden, darunter auch Müll – und eindeutige Papiertücher hinter der Namenswand, so Drassdo. „Dieser Zustand ist unhaltbar.“ Nicht nur für die Besucher sei es unwürdig, sich ins Gebüsch oder hinter die Namenswand schlagen zu müssen, wenn es drängt. „Vor allem aber ist es unhaltbar, dass auf die Namen der Opfer wortwörtlich geschissen wird.“

Viele Besucher haben eine längere Anreise

Dass in den Ratssitzungen auch kommentiert wurde, dass ein WC an der Gedenkstätte nur von wenigen Besuchern benutzt werden würde, kritisiert Drassdo ebenfalls. Genannt wurden im Schnitt 1200 jährliche Besucher, mit eingerechnet seien dabei aber auch die besucherschwachen Coronajahre. Außerdem würden diejenigen Besucher, die ohne Führung kommen, nicht mitgezählt. „Wir haben unzählige Besucher, unter anderem viele Schulklassen, die häufig schon lange Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hinter sich haben“, so Drassdo.

„Und wir haben diejenigen, die Tag für Tag ehrenamtlich als Lotsen die Führungen übernehmen oder in der Dokumentationsstätte im Tunnel als Aufsicht fungieren. Das sind oft viele Stunden am Stück.“ Und ohnehin: Öffentliche Einrichtungen bräuchten Toiletten, ganz unabhängig von der Besucherzahl.

Das KZ Leonberg

Arbeitslager
Von Frühjahr 1944 bis Frühjahr 1945 existierte in Leonberg ein KZ, in dem insgesamt rund 5000 Häftlinge aus 24 Nationen Zwangsarbeit in dem zur Produktionsstätte umgebauten ersten deutschen Reichsautobahntunnel leisteten. In jeweils Zwölf-Stunden-Schichten mussten sie die Tragflächen für die Me 262 fertigen, die sogenannte „Wunderwaffe“, mit der die Nationalsozialisten den Endsieg zu erreichen versuchten. Der Willkür der SS ausgesetzt, unzureichend ernährt und an Seuchen erkrankt starben Hunderte im KZ und auf den Todesmärschen bei Auflösung des Lagers.

Gedenkstätteninitiative
Im April 1979 wird erstmals öffentlich über das KZ Leonberg diskutiert. Erst 20 Jahre später, am 13. März 1999, ist es dann soweit. Durch den Bau des neuen Engelbergbasistunnels wurde der alte Tunnel im August 1998 stillgelegt. Die Oströhre wurde verfüllt, an der Weströhre nur das Nordportal erhalten. Im September 2020 wird die erste Gedenktafel am Tunnel angebracht. Die Namenswand mit den Namen von 2892 ehemaligen KZ-Häftlingen und 16 Gestapo-Häftlingen wird am am 8. Mai 2005 eingeweiht. Im Juni 2008 wird die Ausstellung im Tunnel eröffnet.