Der letzte Schrei für Erlebnishungrige: Sandboarding auf dem Vulkan Cerro Negro - schwarzer Hosenboden inbegriffen. Foto: Miethig

Nicaragua ist eines der ursprünglichsten Länder Südamerikas mit kolonialen Städtchen, üppigem Regenwald und endlosen Stränden.

Léon - Wer auf den Cerro Negro steigt, hat hinterher graue Haare, einen Schnurrbart und Sand zwischen den Zähnen. Sandboarding auf dem aktiven Vulkankegel in Nicaragua - der letzte Schrei unter den „mochileros“, den Backpackern auf ihrem Mittelamerika-Trail. In orangefarbenen Schutzanzügen oder grün gewandet wie die Marsmännchen mit Handschuh und Schutzbrille stehen sie am steilen Vulkanhang und betrachten zögerlich die 600 Meter unter sich. Wer’s kann, surft den Vulkan abwärts auf einem Fieberglasbrett. Oder rutscht gemütlich im Sitzen runter.

Soft Adventure vom Feinsten auf tiefschwarzer Vulkanschlacke. Nicaragua ist noch immer eines der ursprünglichsten, preiswertesten und auch sichersten Länder in Zentralamerika - etwa im Vergleich zum touristisch-teuren Costa Rica oder dem eher riskanten El Salvador. Der „Lonely Planet“ empfahl Nicaragua 2011 unter den Top-Ten-Trendzielen (2. Platz: „best value for money“). In der Bischofsstadt Granada lockt die restaurierte Altstadt mit Kirchen und Gassen in allen Bonbonfarben schon viele nordamerikanische Touristengruppen im Rentenalter an, aber auch Investoren, die baufällige Häuser und Palacios aufkaufen, restaurieren und weiterverkaufen. Da steht man dann schon mal überrascht vor einem knallroten Porsche wie vor einer Fata Morgana. Granada ist das Epizentrum des jungen Tourismus in Nicaragua. Das fast 500 Jahre alte Unesco-Städtchen León mausert sich dagegen zum Drehkreuz für Erlebnishungrige: Rundherum stehen einige der rund 25 nicaraguanischen Vulkane Spalier, der Strand ist auch nur einen Katzensprung entfernt. Trotz dreier Universitäten, Bars, Bodegas und einfachen Boutiquen liegt León verglichen mit ihrer Kolonial-Schwester Granada im touristischen Tiefschlaf. „Con la lucha sandina!“ grüßt eine rüstige Alte am Krückstock auf die Frage, wie’s denn so geht.

„Ich bin sehr stolz, dass ich das auf der kleinen Finca hier geschafft habe!"

Offenbar noch immer gut mit dem Sandinisten-Kampfgruß. Nicht umsonst gilt León als die Wiege des Sandinismus, von dem hier lauter heroische Wandmalereien künden. Die jungen Pärchen auf dem Parque Central, die den Guerilla-Sieg der Sandinisten 1979 über Diktator Somoza nur von den Wandparolen und den alljährlichen Revolutionsfeiern kennen, mögen da anders denken, etwa über den Millionärsstatus des heute 66-jährigen Sandinistenführers Daniel Ortega. Die Nicas, wie sie sich selbst nennen, sind ein junges Volk, und nicht wenige schimpfen über Ortegas populistische Machtpolitik und Wahlmanipulationen, seine Markenanzüge und den Mercedes-Benz-Jeep und nicht zuletzt über die Vetternwirtschaft im mächtigen Ortega-Clan. Naturkatastrophen, ausufernde Bürokratie und eine weit verbreitete Korruption tun ein Übriges, um den langersehnten Aufschwung nur im Schneckentempo vorankommen zu lassen.

Der alte Guerillero Sandino würde sich im Grabe umdrehen. Martha Miranda Solis’ Fußnägel sind lackiert und stecken in schicken weißen Flip-Flops. Ganz unabhängig von der Regierung, aber mit Hilfe von internationalen Solidaritätsvereinen (auch deutschen) hat sich die Bäuerin einen Traum erfüllt. Die 53-Jährige kann sich an schlimme Zeiten vor und nach der Revolution erinnern, wo Hunger und Gewalt den Alltag der verarmten Bauernfrauen auf dem Land bei León bestimmten. In dem Projekt „Xochilt Acalt“ drückte die Schneiderin jahrelang die Schulbank, um zur Landwirtschaftstechnikerin und Tierzüchterin ausgebildet zu werden. „Ich bin sehr stolz, dass ich das auf der kleinen Finca hier geschafft habe! Weder meine Familie noch meine Schafe, Ziegen und Kühe müssen jemals wieder Hunger leiden!“ Chontales ist eine herrliche Kulisse aus grün wogenden Zuckerrohr- und Maisfeldern, Rinderherden mit „vaqueros“, den nicaraguanischen Cowboys, und stets weht irgendwo die schwarz-rote Fahne der FSLN, und Oberkommandant Ortega strahlt auf schweinchenrosafarbenen Plakaten mit siegesgewisser Parole: „Cristiana, socialista, solidaria!“ Christlich, sozialistisch, solidarisch!

Man will die Kamera gar nicht mehr aus der Hand legen

Immerhin scheint wenigstens hier im Südwesten fast jeder sein kleines Stückchen Land und ein Dach über dem Kopf zu haben - wenn es auch Wellblech sein mag und wenn man dafür in die FSLN eintreten musste, so munkelt man. Der oft zitierte zweite Platz beim zentralamerikanischen Armut-Ranking scheint jedoch meilenweit vom Armenhaus Haiti auf dem ersten Platz entfernt. Die Landstraße beim Hafen- und Marktstädtchen San Carlos im Süden nahe der costa-ricanischen Grenze dampft nach einem heftigen Tropenschauer. Der Asphalt ist nagelneu mit Weltbankmitteln gebaut und führt in eine abgelegene Gegend, in die man bisher nur mit maximal 20 Kilometern je Stunde holpern konnte, per dreitägiger Bootstour über den gigantischen Nicaragua-See oder im klapprigen Propeller-Flieger ab Managua. Am Ende der Straße steigt man um ins Boot und besucht die Inselgruppe Solentiname und Los Guatuzos: ein Ramsar-Naturschutzgebiet, in dem man die Kamera gar nicht mehr aus der Hand legen will, so wimmelt es vor zirpender, bellender und dösender Fauna.

Das reinste Dschungelbuch: Die Ameisenbärin posiert auf dem Ast, der „Congo“-Brüllaffe hält einen imposant lautstarken Monolog, und erst diese witzigen knallgrünen Frösche mit den roten Glupschaugen! Eidechsen in Neongrün und Leguane, Kaimane und seltene Flussschildkröten, süße schlafende Fledermäuse und Hunderte von Reihern, ein paar Tukane und schillernde Eisvögel. Am Ende ist man von einem weiteren Tropengewitter klitschnass - aber selig.

Infos zu Nicaragua

Anreise
Mit Iberia/Taca über Costa Rica oder Miami, mit Condor z. B. über Santo Domingo (ca. 1000 Euro). Einreise per Touristenkarte mit gültigem Pass: acht Euro für drei Monate.

Reisezeit
Hurrikansaison Juni bis November, meist regnet es aber nur nachmittags oder abends.

Unterkunft
Aqua Resort & Spa in Redonda Bay, Tola/Pazifikküste, www.aquanicaragua.com : Herrlich versteckt und steil in eine winzige einsame Bucht gebaute Holzhäuser (DZ ab ca. 116 Euro) Patio del Malinche in Calle El Caimito, Granada, www.patiodelmalinche.com : Ruhiges kleines Familienhotel mit kolonialem Ambiente unter spanischer Leitung, Minipool im Patio-Innenhof (DZ 58 Euro).

Veranstalter
Der Lateinamerika-Spezialist aventoura bietet acht Tage Nicaragua-Tour ab 990 Euro oder eine 16-Tage-Tour mit Costa Rica ab 2990 Euro ( www.aventoura.de ). Vor Ort erfüllt das deutsch-nicaraguanische Familienunternehmen Solentiname Tours individuelle Wünsche ( www.solentinametours.com ).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall die Fiestas patronales besuchen. Das sind ursprünglich religiöse Volksfeste mit Prozessionen, Musik, Feuerwerk, manchmal Rodeos und Stierkämpfen.

Auf keinen Fall im Dunkeln allein durch einsame Straßen spazieren, besonders in Managua.