Zieren die Wand der neuen U-Bahn-Haltestelle an der 72. Straße: Thor Stockman, links, und sein Mann, Patrick Kellogg in einem Mosaik von Künstler Vik Muniz. Foto: New York Metropolitan Transportation Authority/AP

An den neuen Haltestellen der lang erwarteten U-Bahn-Linie Second Avenue haben unterschiedliche Künstler die Wände geschmückt. Ein Werk zeigt ein schwules Paar. Es ist das erste Mal, dass ein solches Bild im öffentlichen Raum der Stadt zu sehen ist.

New York - Der Anblick von zwei Männern, die Hand in Hand durch die Straßen gehen, ist in New York nichts Ungewöhnliches. Aber ein Wandbild von zwei Männern, die genau das tun, in einer U-Bahn-Station, das ist selbst für die Weltstadt an der Ostküste der Vereinigten Staaten neu. Die Darstellung der Liebe zwischen schwulen Männern in der öffentlichen Kunst sei eine Seltenheit, erklären Fachleute.

„Das war wie ein Lottogewinn“, sagt Thor Stockman. Der 60-Jährige beschreibt sein Gefühl, als er herausfand, dass er und sein Ehemann Patrick Kellogg Teil des Kunstwerks „Perfect Strangers“ von Vik Muniz sein würden. Die Serie von lebensgroßen Mosaikporträts des Alltagslebens in New York ziert nun die Wände der neuen U-Bahn-Haltestelle an der 72. Straße. Aber „ein Teil von mir wünscht sich, dass es keine Seltenheit wäre, dass es nicht bemerkenswert wäre“, fügt Stockmann hinzu.

Die Haltestelle der lang erwarteten U-Bahn-Linie Second Avenue ist am 1. Januar eröffnet worden. Seitdem gehen die Fahrgäste täglich an den Bildern vorbei, deren Ziel es ist, die verschiedenen Menschen zu zeigen, denen man als New Yorker täglich im öffentlichen Nahverkehr begegnet. Da sei es nur logisch gewesen, auch zwei homosexuelle Männer einzubeziehen, erklärt der Künstler. „Sie sind einfach Leute, von denen man es erwartet, sie zu sehen“, sagt Muniz, der in New York und Brasilien lebt. „Man erwartet, dass man Männer sieht, die Händchen halten.“

Etwas Natürliches im New Yorker Stadtbild

Jonathan David Katz ist Experte für Homosexualität in der Kunstgeschichte. Er kann kein anderes Beispiel eines ähnlichen dauerhaften Kunstwerks in der New Yorker Öffentlichkeit nennen, das keinen politischen Hintergrund hat. Katz verweist zwar auf das Denkmal „Gay Liberation“ von George Segal, das an die Auseinandersetzungen zwischen Schwulen und Polizisten 1969 erinnert. Allerdings bezieht sich das Werk, das zwei Männer und zwei Frauen zeigt, auf einen politischen Moment.

Eine Arbeit wie die von Muniz sei längst überfällig in einer Stadt, „die angeblich das Epizentrum der Kunstwelt und der Schwulenbewegung“ sei, sagt Katz von der Universität von New York in Buffalo. Das Wandbild rücke die Homosexualität der beiden Männer nicht in den Mittelpunkt, sondern zeige sie als etwas Natürliches im New Yorker Stadtbild. „Und damit sendet es sogar eine noch größere Botschaft.“ Das findet auch Nicholas Baume, Chefkurator für öffentliche Kunst in New York. Die Arbeit erinnere ihn daran, dass ein schwules Paar in der U-Bahn eine häufige Erscheinung sei, sagt er. „Es ist großartig, dass es nicht länger tabu für Männer ist, diese Art der alltäglichen Zuneigung zu zeigen.“

Das Foto von Stockmann und Kellogg, das als Vorlage für das Wandbild diente, entstand vor drei Jahren eher zufällig. Die beiden hatten in Brooklyn einen Freund getroffen, der an dem Projekt der Gestaltung der neuen U-Bahn-Station arbeitete. Ein Fotograf fragte, ob er die beiden fotografieren dürfe. Stockmann nahm an, dass für das Kunstwerk viele Menschen fotografiert werden würden und „wir hofften, dass wir dort fünf Minuten stehen und dafür vielleicht ein paar schöne Porträtaufnahmen bekommen“. Erst Anfang dieses Jahres erfuhren die beiden, dass sie an den Wänden der neuen Haltestelle zu sehen sein würden.

Drei weitere Künstler vertreten

Der Freundeskreis des Ehepaares war begeistert, auch weil das Bild nicht dem üblichen Bild von Schwulen in der Popkultur entspricht. „Unsere Freunde haben sich gefreut über diese Darstellung von Homosexualität an den Wänden von New York City, aber sie haben sich noch mehr gefreut, dass diese Darstellung von Homosexualität nicht unglaublich schön und dünn ist “, erklärt Kellogg. „Dass es einfach zwei durchschnittlich aussehende Typen wie wir sind“, fügt Stockman hinzu.

Um die Wandgestaltung der Haltestellen entlang der neuen U-Bahn-Linie konnten sich Künstlerinnen und Künstler bewerben. Jeder reichte eine Bewerbung mit einer Idee ein, Vorgaben von der New Yorker Verkehrsbehörde gab es nicht, wie die Direktorin des Kunstprogramms der Behörde, Sandra Bloodworth, erläutert. Die Finalisten präsentierten dann ihre ausgearbeiteten Konzepte und die Gewinner wurden ausgewählt. Neben Muniz waren das noch drei andere Künstler für die anderen Stationen der neuen Linie.

Bloodworth erklärt, Muniz’ Gesamtkonzept habe überzeugt. Um einzelne Bilder sei es nicht gegangen. „Das war unsere Aufgabe“, sagt sie. „Wir konnten großartige Arbeiten schaffen, die den Menschen etwas bedeuten.“