Am Klinikum Esslingen wurde die zentrale Notfallpraxis für Kinder und Jugendlichen aus dem ganzen Landkreis eingerichtet. Foto: Jan Reich

Wenn das Baby nachts Atemnot hat oder das Kleinkind giftige Beeren gegessen hat: Dann geht es in die Notfallpraxis. Bisher waren diese Praxen dezentral über die Kreise verteilt. Zur Zeit stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) landesweit auf zentrale Notfallpraxen um – aktuell jetzt in Esslingen.

Wenn das Baby nachts Atemnot hat oder das Kleinkind giftige Beeren gegessen hat: Dann geht es in die Notfallpraxis. Bisher waren diese Praxen dezentral über die Kreise verteilt. Zur Zeit stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) landesweit auf zentrale Notfallpraxen um – aktuell jetzt in Esslingen.

Esslingen - Johannes Fechner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, spricht von einer Triple-win-Situation: von drei Gewinnern also, die die Zentralisierung der Kinder- und Jugend-Notfallpraxen im Land bringe. Das seien die Krankenhäuser, die niedergelassenen Ärzte und in erster Linie die jungen Patienten mit ihren Eltern.

Fakt ist, dass die Kinderärzte der Krankenhäuser künftig die niedergelassenen Ärzte unterstützen – und umgekehrt. Bislang war es so, dass die niedergelassenen Kinderärzte nachts und an Wochenenden noch als Notdienst eingeteilt waren, obgleich sie tagsüber schon eine 50- bis 60-Stunden-Woche zu stemmen hatten. Das gehe an die Substanz, sagt Johannes Fechner, und führe dazu, dass immer weniger junge Mediziner diesen Job wollten. Das führe zu einem Mangel an Haus- und Fachärzten.

Das neue System, das im Kreis Esslingen am 5. Mai startet, sieht eine enge Kooperation mit dem Klinikum Esslingen vor. Dort ist eine Notfallpraxis mit vier Untersuchungsräumen für Kinder, einem für Säuglinge und einem Aufnahmebüro eingerichtet worden. Die Notfallpraxis ist werktags von 19 bis 22 Uhr durch einen oder zwei niedergelassene Ärzte besetzt und samstags, sonn- und feiertags von 9 bis 21 Uhr (anschließend übernimmt die Notaufnahme).

Die Notfallpraxis befindet sich direkt auf der Kinderstation des Esslinger Klinikums. Das hat mehrere Vorteile: Der diensthabende niedergelassene Arzt klärt bei der Aufnahme bei jedem Kind: Praxis oder Klinik? Stellt der Arzt fest, dass der Unfall oder Notfall ambulant zu versorgen ist, bleibt das Kind in der Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte und erhält, wenn nötig, gleich dort sein Rezept für Medikamente.

Wird ein schwererer Fall diagnostiziert, wird das Kind in der Notaufnahme der Klinik aufgenommen. „Es ist keine weitere Anfahrt nötig“, so Fechner. Die Stationsärzte arbeiten Hand in Hand mit den niedergelassenen Ärzten, jeder bringt seine spezifische Kompetenz ein.

Das stationäre Ärzteteam wird entlastet, weil die weniger schweren Fälle erst gar nicht mehr dort landen. „Wir behandeln in der Notaufnahme jährlich mehr als 15 000 Kinder. Aber nicht alle benötigen einen stationären Aufenthalt“, sagt der Chefarzt der Kinderklinik, Christian von Schnakenburg. Das führe gerade an den Wochenenden oft zu unnötigen, vermeidbaren Wartezeiten in der Notaufnahme.

Die niedergelassenen Ärzte profitieren ebenfalls, weil sie nur noch an ein paar Wochenenden Notdienst haben und ansonsten von der Bereitschaft entbunden sind. „Und für die Eltern gibt es eine zentrale Adresse, Die Suche nach der diensthabenden Praxis entfällt“, sagt der Kinder- und Jugendarzt Christian Hayd. Kreisgrenzen sind dabei kein Hindernis: Wer an der Peripherie eines Kreises wohnt, ist vielleicht schneller in der Notfallpraxis der Nachbarkreises.

Den Wermutstropfen – die teilweise längere Anfahrt zur Notfallpraxis – kennt Johannes Fechner. Die KVBW habe aber in Landkreisen, wo die Zentralisierung schon umgesetzt sei, Patienten befragt. Und erstaunlicherweise spiele die Länge der Anfahrt eine untergeordnete Rolle gegenüber der kompetenten Betreuung des eigenen Kindes oder Babys. Vorteil der Notfallpraxis im Krankenhaus sei, dass alle notwendigen Apparate und Instrumente greifbar seien.

Bisher war der Notdienst für Kinder im Kreis Esslingen uneinheitlich geregelt. Notfallpraxen gab es in Nürtingen und Kirchheim, auf den Fildern musste erst eine bestimmte Telefonnummer angerufen werden, um zu erfahren, welcher niedergelassene Arzt Dienst hat. In Nürtingen gab es wegen der Schließung der Notfallpraxis Kritik, OB Otmar Heirich hat diese auch Johannes Fechner mitgeteilt. Der kontert aber mit den Vorteilen für den Berufsstand: „Womöglich lassen sich in Nürtingen jetzt wieder mehr Kinderärzte nieder.“

Fakt sei: „Wo die zentrale Notaufnahme schon eingeführt ist, will niemand mehr das Rad zurückdrehen.“