Die ungarische Kammerphilharmonie hat am Samstagabend das Publikum im Oberstenfelder Bürgerhaus von den Stühlen gerissen.
Dass Neujahr und die Silvesternacht am vergangenen Samstag beim Neujahrskonzert der ungarischen Kammerphilharmonie schon rund eine Woche zurücklagen – geschenkt. Die Musikerinnen und Musiker und vor allem ihr Dirigent Antal Barnás zeigten bei ihrem Auftritt im Bürgerhaus immer wieder ein solches Temperament, dass man glaubte, Funken wie von einem Feuerwerk von der Bühne sprühen zu sehen. Und die übertrugen sich vom ersten Titel an – der Ouvertüre aus dem „Zigeunerbaron“ von Johann Strauß Sohn – auf das Publikum und entfachten dort ein Feuer der Begeisterung, das in stehenden Ovationen und wiederholten Forderungen nach einer Zugabe mündete.
Vom Traum, auch einmal Klassisches anzubieten
Thomas Arndt, der Vorstand des Kulturvereins oberes Bottwartal, sagte in der Pause, man sei mit der Veranstaltung ein gewisses Risiko eingegangen. Denn sonst setze man beim Kulturprogramm eher auf eine andere Form der Unterhaltung. „Aber es war ein Traum, auch einmal etwas aus dem klassischen Bereich anzubieten, und wir haben beschlossen, es mit der leichten Klassik zu versuchen.“ Den Kontakt zu Antal Barnás habe man schon seit einigen Jahren, und „er ist uns sehr entgegengekommen“, so Arndt. Immerhin ist die ungarische Kammerphilharmonie ein Orchester, das in Europa ganz andere Räume füllt als das multifunktionale Oberstenfelder Bürgerhaus – zuletzt die Philharmonie in Berlin. Begeisterte Reaktionen aus dem etwa 230-köpfigen Publikum und Dank an die Veranstalter waren der Lohn für die Risikobereitschaft.
Die ungarische Kammerphilharmonie, die im Jahr 1999 von Barnás gegründet wurde, setzt sich aus Mitgliedern führender Orchester in Budapest zusammen. Und das war bei jedem Ton zu hören. Vom flinken Taktstock angetrieben, der mitunter schnell wie ein Dolch auf die jeweilige Musikergruppe zufuhr, liefen die Instrumentalisten zu Höchstform auf. Klar akzentuiert und auf die Zehntelsekunde genau bei den rhythmischen Stücken, schwungvoll und mit teilweise atemberaubendem Tempo bei diversen Strauß-Polkas, einem Galopp von Emil Waldteufel und der Prélude aus Bizets „Carmen“, dann wieder mit viel Weichheit, Melancholie, etwas Schmalz und eben typisch wienerisch beim Auftakt zum Walzer „Wiener Blut“ erwiesen sie sich als ein im wahrsten Sinn des Wortes bestens eingespieltes Team.
Ein Orchester, das zum Teil auch singt
Ein Team, das – soweit es die Streicher betraf, die nur die Hände für ihr Instrument benötigen – übrigens auch mit offenkundigem Vergnügen kleine Gesangseinlagen zum Besten gab: ein ansteckend-fröhliches Lalala zu den flotten Polkas „Stürmisch in Lieb’ und Tanz“ und „Auf Ferienreisen“, das auch ein paar Gäste im Publikum zum Mitsingen animierte, oder einen ganzen Refrain beim Sportpalastwalzer, bei dem fröhlich nach der Aufmunterung durch den Dirigenten mitgepfiffen wurde.
Dass Barnás nicht nur sein Orchester, sondern auch das Publikum fest im Griff hatte, zeigte sich auch daran, dass beim offiziellen Konzertschluss, dem Radetzky-Marsch, nicht etwa rhythmisch durchgeklatscht wurde, sondern genau an den richtigen Stellen.
Zugaben als fulminanter Abschluss
Klar, dass die Musiker nicht ohne etliche Zugaben von der Bühne kamen, was natürlich einkalkuliert worden war. Mit dem Hinweis „Als erste Zugabe spielen wir...“ hatte der Dirigent – wie schon mehrfach zuvor bei seiner Moderation mit heiteren Kurzgeschichten und Anekdoten aus dem Musikleben – die Lacher auf seiner Seite, um dann ernster zu erklären, warum man den Ungarischen Tanz Nr. 1 des Norddeutschen Johannes Brahms ausgewählt habe: um einen Bogen zwischen den Nationen zu spannen.
Die allerletzte Zugabe war dann zugleich einer der Höhepunkte dieses Konzerts: Der erste Violonist Laszlo Nyari erwies sich bei seiner Interpretation von Vittorio Montis Csárdás als wahrer Teufelsgeiger und brachte die Saiten seines Instruments schier zum Glühen.