SPD-Chefin Saskia Esken informiert sich an einem Fetisch-Stand des CSD-Neuesjahresempfanges im Cannstatter Kursaal über das Leben von queeren Menschen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Hasskriminalität gegen queere Menschen muss stärker bekämpft werden. Dafür setzt sich der Stuttgarter CSD mit SPD-Bundeschefin Saskia Esken als Schirmfrau ein. Beim Neujahresempfang verkünden die Organisatoren das Motto für 2023.

Die 1961 geborene Saskia Esken erinnert sich an „dunklen Zeiten“, als sich queere Menschen nur in Bars oder Clubs sicher fühlten, die von der Straße aus nicht einsehbar waren. Froh ist die SPD-Bundesvorsitzende, dass dieses Versteckspiel heute vorbei ist. Die Rainbow-Community werde von weiten Teilen der Bevölkerung gesellschaftlich anerkannt und ihre Rechte seien verbessert worden. Die zunehmende Sichtbarkeit der Vielfalt, erklärt die Politikerin beim Neujahresempfang des CSD am Samstagabend im Cannstatter Kursaal, birgt aber auch Gefahren. „Immer häufiger berichten queere Menschen von Übergriffen, Beleidigungen und Hasskriminalität“, sagt die neue Schirmfrau des Christopher Street Days (CSD). Laut Bundesinnenministerium sind 2021 in Deutschland 1051 politisch motivierte Übergriffe gegen queere Menschen gemeldet worden. Nach fast jedem CSD in Deutschland seien Teilnehmende attackiert worden.

Lob vom CSD-Sprecher Detlef Raasch für die Stuttgarter Polizei

Das Motto des Stuttgarter CSD 2023 lautet deshalb: „Nicht mit uns! Gemeinsam sicher und stark.“ Mit den CSD-Kulturwochen vom 7. bis 30. Juli wollen die Organisatoren erreichen, dass mehr für „die Sicherheit und den Schutz der queeren Community“ im öffentlichen Raum getan werde. Dies sei nicht allein Aufgabe der Polizei, findet CSD-Sprecher Detlef Raasch, der die Arbeit der Stuttgarter Beamtinnen und Beamten ausdrücklich lobt. Die Gesellschaft müsse stärker dafür sensibilisiert werden, die queerfeindliche Strömungen im Alltag rechtzeitig zu erkennen und sich dagegen zu stellen, wenn Hass und Gewalt drohe.

„Alle sollen ihre Liebe sicher und sichtbar leben können“

Saskia Esken setzt sich dafür ein, „dass alle Menschen in unserem Land ihr Leben, ihr Begehren, ihre Liebe sichtbar, sicher und frei leben können“, betont sie im Kursaal. CSD-Sprecher Raasch kritisiert in seiner Rede beim Neujahresempfang vor etwa 400 Gästen (darunter Landtagspräsidentin Muhterem Aras sowie zahlreiche Stadträte) den Stuttgarter OB Frank Nopper (CDU). Nach dem Angriff auf zwei CSD-Teilnehmer im vergangenen Sommer in Fellbach (die Täter seien 30 bis 45 Jahre alt gewesen) vermisst Detlef Raasch „Haltung und eine klare Verurteilung der kriminellen Übergriffe auf die queere Community“. OB Nopper habe erklärt, er wolle OB für alle Bürgerinnen und Bürger sein. Der CSD-Sprecher wartet „immer noch auf ein öffentliches Statement des Rathauschefs zu den gewaltsamen Übergriffe auf queere Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts“. Für das Regenbogenhaus setze sich der OB aber glücklicherweise ein. Noch immer sei unklar, wie es mit diesem Projekt weitergehe und wo man einen Standort finden könne. Verspätet stößt Frank Nopper mit seiner Frau Gudrun Nopper zum Neujahresempfang dazu.

Neuer Streckenverlauf bei der CSD-Demo im Sommer

Mit dem neuen Motto „Nicht mit uns“ will der Stuttgarter CSD „politischer als in den Vorjahren“ werden und „klare Kante“ zeigen. Nur eine vereinte Community und eine geeinte Gesellschaft könnten Hass, queerfeindliche Stimmungen und Übergriffe verhindern. Das Motto drückt aus Sicht der CSD-Organisatoren folgende Botschaft aus: „Nur, wenn sich alle in der LSBTTIQ*-Community geschützt fühlen, sind sie auch wirklich sicher und stark.“ Beim Neujahresempfang tritt Frl. Wommy Wonder auf. Plötzlich erscheinen viele Menschen um die Travestie-Lady herum mit Schildern, die verschieden bemalt sind, aber eines steht auf allen: „Nicht mit uns!“

Für eine Gedenkminute für den kürzlich verstorbenen CSD-Aktivisten Joachim Stein stehen alle Gäste auf. Das Stuttgarter Weindorf hat das Büfett gesponsert, Geschäftsführerin Bärbel Mohrmann die Brötchen belegt.

Für die CSD-Demonstration am 29. Juli gibt es erstmals einen neuen Streckenverlauf: Sie startet diesmal auf der Rotebühlstraße, die deutlich breiter ist als die Tübinger Straße, die nicht mehr Teil der Strecke ist.