Liam Gavrielides (rechts) mit Vater Marios auf der Terrasse des TCO-Clubhauses . . . . . . und beim Training in seiner spanischen Wahlheimat. Foto: Archiv (avanti)

Der 16-jährige Liam Gavrielides will im kommenden Sommer für die Herren des TC Oberstenfeld aufschlagen – und bald möglichst auch auf der Profitour.

Oberstenfeld - Ende Januar wird Liam Gavrielides 16 Jahre alt. Ein Alter, in dem Tennisspieler langsam aber sicher den Sprung vom Jugend- zum Herrenbereich angehen müssen, wenn sie Erfolg haben wollen. Erfolge im Jugendbereich hatte der Teenager schon einige. „Ich habe schon früh bei württembergischen Meisterschaften gewonnen oder war im Finale bei den süddeutschen Meisterschaften“, erzählt der Teenager. Auch international hat er schon Titel gesammelt. So gewann er 2018 auf der Tennis Europe Junior Tour die U14-Turniere in Waiblingen und Kufstein. Seit diesem Jahr spielt er verstärkt bei ITF-Turnieren, die auch für die Jugend-Weltrangliste zählen. Einen Sieg und ein Finale hat er hier bereits auf dem Konto, die Jugendweltrangliste spuckt ihn derzeit auf Platz 658 aus – damit ist Gavrielides der beste Deutsche aus seinem Jahrgang. 2019 stand er bei den Deutschen Meisterschaften der U16 im Freien und in der Halle jeweils als einziger Spieler des Jahrgangs 2004 im Halbfinale. „Ich war jetzt fünfmal bei Deutschen Meisterschaften in einem Halbfinale, aber gewonnen habe ich noch keins“, sagt er mit einem etwas verlegenen Lächeln.

Doch letztlich sind Titel auf Juniorenebene zwar schön, aber nicht das Ziel des bald 16-Jährigen. „Ich möchte Profi werden, in die Top 20 der Welt kommen und für Deutschland Davis Cup spielen“, nennt er seine großen Ziele. Doch davor sollen erstmal einige kleinere Schritte erfolgen: Zum Beispiel die Teilnahme am Junior Davis Cup 2020, die Qualifikation für die Jugendturniere bei den Grand Slams oder die Junior Olympics 2022. Und dafür geht die Familie Gavrielides einen ungewöhnlichen Weg: Liam lebt und trainiert seit Herbst 2018 die meiste Zeit des Jahres in der Nähe von Alicante in Spanien. „Wir haben dort ein kleines Häuschen, in dem ich mit meiner Mutter wohne. Ich trainiere dort mit meinem Privatcoach Richard Brooks. Horatio Medina ein Freund von ihm , der ein eigenes Fitnessstudio hat, ist mein Athletiktrainer“, erklärt er. Der dritte Man im Bunde ist Physiotherapeut und Osteopath Samuel Rubio. In enger Absprache mit dem Deutschen Tennis Bund (DTB) gestaltet dieses Team das Trainingsprogramm. Doch wegen der Schule muss Liam Gavrielides häufig nach Deutschland, unter anderem um die Prüfungen zuschreiben. „Ich muss sehr viel selbstständig lernen. Derzeit bin ich in der zehnten Klasse, ich möchte aber auf jeden Fall mein Abitur machen.“ Ganz allein auf die Karte Profitennis will Liam also nicht setzen. Etwa zwei Stunden täglich verbringe er mit dem Unterrichtsstoff. „Manchmal auch etwas mehr, ab und zu auch etwas weniger“, sagt er lachend.

Das Elternhaus der Familie Gavrielides in Möglingen bewohnen inzwischen also nur noch Liams Vater und sein älterer Bruder, die älteste Schwester ist bereits ausgezogen. „Aber wir sehen uns sehr oft. Bei unserer Familie war es schon immer so, dass wir viel auf Achse sind. Es kommt eigentlich nie vor, dass ich Liam länger als zwei Wochen nicht sehe. Mein Beruf erlaubt es mir, meine Zeit sehr flexibel zu gestalten“, erklärt Vater Marios Gavrielides, der selbstständig ist und eine Innenausbau-Firma führt. Er stammt aus Zypern, lernte seine Frau kennen, als diese dort ihren Urlaub verbrachte. Sein Lebensmittelpunkt ist nun schon lange in Deutschland. „Ich bin hier geboren und kann nicht einmal Griechisch“, sagt Liam, für den daher klar ist: „Ich bin Deutscher.“ Also kein Gedanke daran, vielleicht mal für Zypern im Davis Cup zu spielen? Immerhin wäre der Sprung ins Team dort wesentlich leichter als in Deutschland. „Es gab tatsächlich schon mal eine Anfrage“, berichtet Marios Gavrielides. Aber die Entscheidung sei gefallen, Liam spiele für Deutschland.

Doch die großen Ziele wie die Mitgliedschaft im Davis Cup-Team sind derzeit (noch) nicht das Thema. Im Sommer wird Liam Gavrielides erst einmal für den TC Oberstenfeld in der Herren-Oberliga aufschlagen. Clubtrainer Zeljko Alviz kennt den Nachwuchsmann schon sehr lange, verfolgt seinen Weg seit Jahren und berät die Familie immer wieder. „Liam hat viel Potenzial. Vor ein paar Wochen hat er hier mit unserer Herrenmannschaft trainiert. Mit seinem Tempo kann von unseren Jungs keiner mithalten. Und mir gefällt es sehr gut, dass er ein unheimlich bodenständiger Kerl ist“, lobt Alviz. Liam Gavrielides selbst würde seinen Spielstil am ehesten mit dem von Alexander Zverev vergleichen, dem derzeit besten deutschen Tennisspieler. „Ich spiele schnell und aggressiv von der Grundlinie.“ Mit diesem Stil möchte er den TCO-Herren im Sommer am liebsten zum direkten Wiederaufstieg in die Württembergliga verhelfen. „Ich will versuchen, so viele Spiele wie möglich für Oberstenfeld zu bestreiten. Das hängt aber auch von den anderen Verpflichtungen ab“, sagt Liam. Ein erster Einsatz für den TCO in der Winterrunde Ende Dezember scheiterte an einer leichten Knieverletzung. „Einen Termin gibt es noch, bei dem es vielleicht klappen könnte.“

Ansonsten müssen sich die Oberstenfelder Zuschauer also bis zum Sommer gedulden, ehe sie sich vom Talent des dann 16-Jährigen überzeugen können. Bis dahin wird Liam Gavrielides weiter in Spanien an seiner Entwicklung arbeiten. Rund vier Stunden Training stehen täglich auf dem Plan. Neben Schule und Turnieren bleibt da nicht mehr viel Zeit. „In der Sonne liege ich höchstens am Wochenende mal“, erklärt Liam, der sich in den vergangenen 15 Monaten schon ziemlich stark an das spanische Klima gewöhnt hat. So empfindet er die für deutsche Verhältnisse milden Temperaturen in der Vorweihnachtszeit als „verdammt kalt“. Doch bald ist er wieder im Süden – was zum Großteil übrigens Marios Gavrielides finanziert. „Wir bekommen etwas Unterstützung vom DTB. Aber den Löwenanteil bezahlt mein Vater“, erklärt Liam. Als Investment kann man dies nur bedingt bezeichnen – und wenn, dann eines mit hohem Risiko. Denn im Jugendbereich gibt es noch keine Preisgelder. Und wer auf der Profitour mehr Geld einspielen will als er Ausgaben hat, der muss schon mindestens unter den besten 200 der Welt stehen. Die Konkurrenz ist jedoch weitaus größer. Aus der großen Masse ambitionierter Jugendlicher schaffen es Jahr für Jahr nur ein paar wenige auf die Tour. Liam Gavrielides ist einer von denen, die den Sprung in die große Tenniswelt packen könnten – der TC Oberstenfeld wäre auf dem Weg dorthin eine Station.