Bei der Sicherungsverwahrung werden als hochgefährlich geltende Täter auch nach Verbüßung ihrer Strafe in Haft behalten. Foto: dpa

Das letzte Wort über eine Freilassung von bis zu 90 Verbrechern liegt beim Bundesgerichtshof.

Berlin/Karlsruhe - Die einen dürfen raus, die anderen bleiben in Haft. In der Frage, ob Deutschland bis zu 90 gefährliche Verbrecher freilassen muss, sind die Gerichte gespalten. Damit soll nun Schluss sein.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg muss Deutschland möglicherweise bis zu 90 Straftäter entlassen, die seit vielen Jahren in Sicherungsverwahrung sitzen, weil sie noch immer als gefährlich gelten. Bei ihnen wurde die Sicherungsverwahrung rückwirkend verlängert, was laut den Straßburger Richtern gegen die Menschenrechte verstößt.

Wie bindend dieses Urteil ist, darüber sind sich die Oberlandesgerichte (OLG) bundesweit nicht einig. So hielt in Baden-Württemberg das OLG Stuttgart einen Sextäter trotzdem weiter in Haft, das OLG Karlsruhe ließ hingegen kürzlich einen Mann frei.

Morgen tritt nach Informationen unserer Zeitung nun ein neues Gesetz in Kraft, das dieses juristische Chaos beenden soll. Es hat zur Folge, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ein Grundsatzurteil zu den Folgen des Straßburger Richterspruchs wird fällen müssen. Die Oberlandesgerichte dürfen bis dahin nicht mehr letztinstantzlich entscheiden und somit auch keinen Straftäter mehr aus der Sicherungsverwahrung entlassen.

Der erste Fall des BGH könnte aus Baden-Württemberg sein, denn das OLG Karlsruhe wollte eigentlich dieser Tage über die Freilassung eines weiteren Täters entscheiden. Offenbar mit Rücksicht auf das neue Gesetz zur so genannten Divergenzvorlage, das heute im Gesetzblatt veröffentlicht wird, wartet das OLG aber ab. "Diese Woche werden wir den Fall wohl nicht mehr entscheiden", sagte der OLG-Sprecher gestern und bestätigte, dass seines Wissens das Gesetz am Freitag in Kraft trete.

Landesweit hoffen noch 16 Kriminelle, dank Straßburg aus der Sicherungsverwahrung zu kommen. Die meisten von ihnen sind Sextäter und sitzen im Freiburger Gefängnis ein. Dort werden sie bereits auf eine mögliche Freilassung vorbereitet.

Der 53-jährige Sextäter, den das OLG Karlsruhe vor rund zwei Wochen freiließ, lebt mittlerweile in Hamburg und wird rund um die Uhr von der Polizei bewacht.