Green Day: Billie Joe Armstrong, Mike Dirnt und Tré Cool Foto: dpa

Billie Joe Armstrong bleibt mit seiner Band Green Day auf Selbstsuche – und wird partiell fündig

Stuttgart - Ganz simpel erschien das Konzept des Trios Green Day, das Mitte der 1990er mit poppigem Neo-Punkrock die Welt eroberte. Als die drei Kalifornier 1996, das Erfolgsalbum „Dookie“ im Rücken, in der ausverkauften Schleyerhalle auftraten, bauten sie eine der kleinsten Bühnen auf, die dort jemals stand: Drei Mann unter Strom, völlig analog und ungekünstelt, alle Regler auf zehn – und 13 000 Konzertbesucher rasteten kollektiv aus. Diese Energie kam Green Day in den Nullerjahren abhanden. Auf ihrem aktuellen Album „Father of all“ wollten sie sie offenkundig zurückgewinnen – was ihnen teilweise gelungen ist.

Manchmal ist der Sänger, Gitarrist und Songwriter Billie Joe Armstrong ganz bei sich: „I was a teenage Teenager“, singt er erfüllt von spätadoleszenter Sehnsucht, und das klingt fast wie früher. Das selbe gilt für „Sugar Youth“, wo Armstrong seinen Sinn fürs Hymnenhafte auslebt. „Fire, ready, aim“ hat ordentlich Dampf und im Titelsong „Father of all“ wie auch im Uptempo-Rock’n’Roll von „Take the Money and crawl“ steckt eine starke Portion Glamrock, die der Band gut zu Gesicht steht. Die Gitarren stehen, der Bassist Mike Dirnt und der Drummer Tré Cool haben nichts von ihrem Wumms verloren. Weniger gut funktionieren allerdings Pop-Liedchen wie „Graffitia“ oder Strandbar-Sound wie „Meet me on the Roof“ – das können andere besser, dafür werden Green Day nicht gebraucht.

Die Songs sind zeitlos, die Produktion ist es nicht

Der Albumtitel, unzensiert „Father of all Motherfuckers“, hätte in den 1990ern vielleicht noch provoziert, heute wirkt er aus der Zeit gefallen – Armstrong wird am 17. Februar auch schon 48. Aufgrund der höheren Geschwindigkeiten sind kurze Laufzeiten bei Punkrock-Alben keine Seltenheit, die Ramones brachten es auf ihrem Debüt von 1976 auf 29:04 Minuten bei 14 Songs. Green Day bieten nun 26:16 Minuten bei gerade mal zehn Songs.

Als handfestes Problem erweist sich die sehr geschmäcklerische Eigenproduktion, vollgestopft mit Elektro-Schnipseln und Editierungs-Gags verpasst sie zeitlosen Songs einen Zeitstempel mit eingebautem Verfallsdatum. Armstrongs Gesang ist mal mehr, mal weniger getunt und seltsam untergemischt – dabei ist er gut bei Stimme, wie Live-aufnahmen zeigen. Stark bearbeitet sind auch Ohos, Wuhu und Falsett-Quieker und das Schlagzeug, das mitunter sehr synthetisch klingt.

Schon die Beatles hatten solche Probleme

Das Phänomen ist keineswegs neu, das letzte Beatles-Album „Let it be“ (1970) erschien 2003 mit dem Untertitel „Naked“ neu abgemischt – und befreit von allem klanglichen Schnickschnack, den der Produzent Phil Spector hinzugefügt hatte. Vielleicht gibt es „Father of all“ eines Tages auch entrümpelt – vorausgesetzt die digital aufgezeichneten Instrumentenspuren existieren überhaupt pur.

Anders als The Clash, die geschmeidig vom Punk („London’s Burning“) in den Pop („Rock the Casbah“) hinüberglitten, ohne sich zu verlieren, saßen Green Day schon früh zwischen den Stühlen, von den Massen geliebt, als Pseudo-Punks verachtet. Nach dem Flop ihres starken Punkrock-Albums „Nimrod“ (1997) kam der Erfolg mit dem Stadionrock von „American Idiot“ (2004). Zumindest, was das Songwriting angeht, ist die Band sich selbst nun wieder ähnlicher.