Donald Trump (l.) hat am Dienstag Neil Gorsuch als Kandidaten für den Obersten Gerichtshof der USA vorgestellt. Foto: EPA

Der von US-Präsident Trump für den Obersten Gerichtshof vorgeschlagene Neil Gorsuch gilt als gemäßigt konservativ. Dennoch befürchten die Demokraten, dass Trump das Gericht mit ihm nach rechts rücken will.

Stuttgart - Gemessen an Donald Trumps Rhetorik und seinen ersten Entscheidungen im Weißen Haus wirkt sein Kandidat für einen vakanten Platz im Verfassungsgericht auffällig zahm und gemäßigt. Neil Gorsuch, ein 49-jähriger Bundesrichter aus Colorado, ist konservativ, aber kein Hardliner. Beobachter sind jedoch überzeugt, dass Gorsuchs Ernennung nur Teil einer längerfristigen Strategie Trumps zur Durchsetzung einer rechtskonservativen Linie am obersten Gericht ist. Die oppositionellen Demokraten kündigen deshalb hartnäckigen Widerstand an.

Seit dem Tod des Richters Antonin Scalia, dem Wortführer des konservativen Flügels des Verfassungsgerichts, ist einer der neun Sitze des Gerichts seit fast einem Jahr verwaist. Im Senat verhinderten Trumps Republikaner eine Neubesetzung durch den damaligen Präsidenten Barack Obama, weil sie einen Linksruck im Gericht befürchteten. Nun will Trump mit Gorsuchs Berufung das Kräfteverhältnis im Gericht wieder herstellen. Vier der auf Lebenszeit berufenen Richter gelten dann als konservativ, vier weitere als eher progressiv. In der ideologischen Mitte sitzt Richter Anthony Kennedy, der bei umstrittenen Entscheidungen häufig das entscheidende Votum abgibt.

Den Republikanern fehlen im Senat acht Stimmen

Kennedy ist nach Meinung von Beobachtern der Mann, um den es bei Gorsuchs Berufung eigentlich geht. Mit seinen 80 Jahren denkt Kennedy ans Aufhören, was Trump die Möglichkeit geben könnte, gleich noch einen konservativen Richter nachzuschieben. Gorsuch soll Kennedy den Abschied erleichtern, denn er ist ein früherer Gehilfe des Richters.

Allerdings braucht Gorsuch im Senat 60 Stimmen – und Trumps Republikaner verfügen nur über 52 Mandate. Die Stimmung in der Parlamentskammer ist angespannt – einige Demokraten sind immer noch sauer über die Blockade ihrer republikanischen Kollegen bei der Richterernennung unter Obama und wollen es ihnen nun mit gleicher Münze heimzahlen.

Die Demokraten wollen den Republikanern ihre Blockade heimzahlen

Mitch McConnell, Chef der Republikaner im Senat, erinnerte seine demokratischen Kollegen an die Tradition, einem Präsidenten zumindest in der ersten Amtszeit die Ernennung von Richtern zu erlauben. So habe seine Partei es auch in Obamas erster Amtszeit gehalten, sagte McConnell.

Dieser Appell wirkt auf viele Demokraten allerdings wie Heuchelei. Gorsuch müsse beweisen, dass er als Richter die bereits abzusehenden Versuche Trumps, die Verfassung zu missachten, nicht mitmachen werde, erklärte der demokratische Fraktionschef im Senat, Chuck Schumer. Nur dann werde seine Partei seiner Nominierung zustimmen. Die Demokraten könnten eine Entscheidung über Gorsuch unter anderem mit einem Filibuster – einer Dauerrede mit dem Ziel der endlosen Verzögerung einer Abstimmung – verhindern.

Langfristig könnte die Abtreibung auf dem Spiel stehen

Eine bittere Auseinandersetzung im Senat ist also abzusehen. Die republikanische Mehrheit könnte als Reaktion auf ein Filibuster versuchen, die Regeln bei der Richterbestellung zu ändern und die 60-Stimmen-Vorschrift zu kippen. Für eine Bestätigung von Gorsuch mit der absoluten Mehrheit in der Kammer würde die Mandatszahl der Republikaner ausreichen.

Auch der Streit um die Abtreibung dürfte wieder an Fahrt gewinnen. Konservative wollen langfristig ein Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 1973 zu Fall bringen, mit dem der Schwangerschaftsabbruch erlaubt wurde. Für dieses Ziel wird ein rechtslastiges Verfassungsgericht gebraucht. Erst vor wenigen Tagen hatten tausende Abtreibungsgegner in Washington demonstriert. Trumps Vizepräsident Mike Pence machte den Kundgebungsteilnehmern bei einer Rede Mut: Das Nein zur Abtreibung habe endlich wieder starke Unterstützer in der Regierung, sagte er. Auch deshalb jagt die Ernennung von Richter Gorsuch vielen Amerikanern kalte Schauer über den Rücken.