Mercedes-Benz tut sich für das Sounderlebnis im EQE-SUV mit dem Streamingdienst Apple Music zusammen, der Dolby-Atmos-Daten liefert. Foto: Mercedes-Benz AG

31 Lautsprecher und Rundumklang von Apple Music: Der schwäbische Autohersteller sucht mit dem neuen EQE-SUV in Paris neue Wege zu seiner zahlungskräftigsten Kundschaft – inmitten der ökonomischen „Makronervosität“, die Vorstandschef Ola Källenius spürt.

Der Duden beschreibt Luxus als verschwenderischen, den normalen Rahmen übersteigenden, nicht notwendigen, nur zum Vergnügen betriebenen Aufwand. Aber was heißt das für ein Auto? Ein Hersteller, der neue Kunden vor allem in den zahlungskräftigsten Kreisen der Welt gewinnen will, muss sich dafür offenkundig mehr einfallen lassen als etwa eine neue Wärmepumpe.

 

Klar, auch dieses System, das Mercedes in den elektrischen EQE-SUV einbaut, der am Sonntag in Paris vorgestellt wurde und nächstes Frühjahr auf den Markt kommt, ist ein wichtiges Stück Technik und ein Gewinn an Komfort. Wärme vom Antriebsstrang wird zum Heizen des Innenraums genutzt, das spart Strom aus der Batterie und verlängert die Reichweite. Aber Luxus ist etwas anderes. Luxus heiße, Begehrlichkeiten zu wecken, dazu müsse man die Sinne ansprechen, meint Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer. Und deshalb sprechen er und seine Vorstandskollegen beim Auftritt zwischen den feinen Bronzeplastiken im Musée Rodin viel lieber und länger über den Sound des neuen Autos. Und damit ist bei einem Elektroauto natürlich nicht der Motor gemeint und schon gar kein Auspuff.

Vier Schallwandler massieren den Bass in die Muskeln

Ein Musikerlebnis wie in einem Profitonstudio verspricht der schwäbische Autohersteller. Oder, um den Luxus der Einfachheit halber einmal in Zahlen zu fassen: In der teuersten Variante namens 4-D-Soundsystem sind 31 Burmester-Lautsprecher verbaut, davon sechs, die den Klang von oben abstrahlen, vier nah bei den Ohren in den Vordersitzen und ein gewaltiger Tieftöner. Hinzu kommen acht sogenannte Körperschallwandler, je zwei pro Sitz, die den Bass direkt in die Muskeln massieren. Lustigerweise spielt der Vorführwagen in Paris als erstes den Song „Go fuck yourself“, aber das muss man im Popkontext wohl nicht persönlich nehmen.

Um den Kunden „den ultimativen Sound auf Rädern“ (Marketingchefin Bettina Fetzer) bieten zu können, hat sich Mercedes-Benz mit dem US-Konzern Apple und den Produzenten der Universal Music Group zusammengetan. Der Streamingdienst Apple Music liefert die Musikdaten im Dolby-Atmos-Format, das erst die Rundumbeschallung wie im Kino ermöglicht. Der Dienst ist direkt in die Mercedes-Fahrzeugsoftware integriert, womit Apples „Spatial Audio“ erstmals auf einem Nicht-Apple-Gerät genutzt werden kann.

Und die Linke in Paris ruft zum „Marsch gegen das teure Leben“

Nicht notwendig, nur zum Vergnügen betrieben. Das könnte auch Argwohn wecken in diesen Tagen, da Gewerkschaften und Linke in Paris noch am Sonntag zum „Marsch gegen das teure Leben“ aufgerufen haben. Auch Mercedes-Chef Ola Källenius erkennt angesichts drohender Energieengpässe, Inflation und hoher Zinsen eine ökonomische „Makronervosität, besonders in Europa“, für die man sich zu wappnen habe. Gerade in schwierigen Zeiten sei die Ausrichtung am Topsegment wichtig, lautet sein Credo.

„Luxus ist nicht immun gegen wirtschaftliche Zyklen, aber die Ausschläge nach oben und unten werden stärker getilgt“, sagt Källenius. Wer im Luxusbereich neue Kunden finde, verschaffe sich die „finanzielle Resilienz“ für die Investitionen in neue Technologien, die man von Mercedes erwarte. „Die Spitzenklasse war seit jeher der Träger für Innovationen, oft auch im Sicherheitsbereich, die sich später in der Breite wiederfinden“, sagt Källenius. Im persönlichen Auftritt bleibt der weltgewandte Schwede, die Bemerkung sei in der Stadt der Mode erlaubt, dem bodenständigen Outfit treu. Zur Präsentation des neuen SUV brachte er wie bei früheren Gelegenheiten sein royalblaues Sakko mit braunen Karos zur Geltung.

Während die gleichzeitig stattfindende Pariser Autoshow an Schwindsucht leidet – in den Messehallen zeigen sich nur einige Stellantis-Marken sowie chinesische Europa-Newcomer – wird Mercedes-Benz seine exklusive Show in der Innenstadt bis Ende der Woche fortsetzen. Man freue sich, „Hunderte von Kunden, Händlern und Investoren in einer der schönsten Städte der Welt persönlich zu treffen“, sagt der Vorstandschef. Für Freitagabend ist im Musée Rodin ein besonders exklusiver Kreis zu einem Markenabend in Verbindung von Autos, Kunst, Mode und Musik geladen.

Ob sich die Luxusstrategie dann irgendwann auch beim Aktienkurs positiv auswirkt? „Die Transformation ist ein Marathon, wir sind noch auf den ersten fünf bis zehn Kilometern“, meint Källenius. Einen Vorabbonus gebe es nicht, man müsse vielmehr in den kommenden Jahren einen Beweis nach dem anderen für den Erfolg der eigenen Strategie erbringen – „in einer Kombination von Performance und Zuversicht“.