Für die Benennung der Wege in einem Gewerbegebiet schlägt die Fellbacher Verwaltung Nobelpreisträgerinnen vor. Doch Frauen mit Doppelnamen stoßen im Gemeinderat auf wenig Begeisterung. Das hat einen ganz praktischen Grund.
Fellbach - Womöglich gibt es in der Fellbacher Fachabteilung für neue Wohnviertel einige Mitarbeiter, die bei der Festlegung der neuen Straßennamen durchaus ein gewisses Faible für Kreuzworträtsel haben. Für die Senkrechte könnte man beispielsweise Männernamen präferieren. In der Waagrechten hingegen sind Frauennamen angemessen.
So ähnlich zumindest mutet das Konzept für das bestehende Gewerbegebiet Siemensstraße an. „Die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straßen sind nach männlichen Naturwissenschaftlern benannt, die in West-Ost-Richtung verlaufenden Straßen nach weiblichen Naturwissenschaftlerinnen“, erläutert Stadtplaner Christian Plöhn offenbar bewusst im doppelten Gendermodus. Das klingt etwas befremdlich: Wissenschaftlerinnen sind in der Regel doch weiblich.
Männernamen für die Senkrechte
Die Strukturierung offenbart sich auch beim Blick auf den Stadtplan. Die senkrechten Verbindungen – wenn man so will – sind benannt nach Otto Hahn oder Philipp Reis. Die zwei bisherigen Querverbindungen heißen Maria-Merian-Straße und Lise-Meitner-Straße. Diese Methode soll nach Vorgabe der Verwaltung im neuen Industriegebiet nördlich und östlich davon weitergeführt werden, „um in der Zukunft eine Orientierung in den zusammengewachsenen Gewerbegebieten zu erleichtern“. Wobei allerdings neue Namen nur für die in West-Ost-Richtung verlaufenden Straßen benötigt werden.
„Die Stadtverwaltung schlägt konsequenterweise die Fokussierung auf Naturwissenschaftlerinnen vor“, erläutert das Stadtplanungsamt. So wurde für die zwei neuen Straßen in dem nördlich des Bahnhofs gelegenen Gewerbegebiet entweder nach Naturwissenschaftlerinnen, nach einer naturwissenschaftlichen Nobelpreisträgerin aus Baden-Württemberg oder einer Erfinderin aus Fellbach gesucht. Beim Gewerbegebiet – heißt es konsequenterweise auch im Beschlussantrag der Verwaltung – solle man sich am besten „auf die vorgeschlagenen Namen von Frauen konzentrieren“.
Schritt Richtung Gleichberechtigung
Es folgt eine wichtige grundsätzliche Ergänzung: „Darüber hinaus besteht bei der Benennung von Straßen nach bestimmten Personen nach wie vor ein deutliches Übergewicht von Männern, sodass dadurch auch ein weiterer Schritt in Richtung Gleichgewicht getan werden kann.“
Noble Motive. Allerdings schoben die Stadträte dieser weiblichen Bevorzugung einen gar nicht so kleinen Riegel vor. Bei der Namensfindung für das Gewerbegebiet „sollten wir uns nicht nur auf Frauennamen beschränken“, gab CDU-Fraktionschef Franz Plappert die Richtungsänderung vor. Erfinder und Wissenschaftler mit starkem Bezug zu Fellbach seien angemessener – etwa Andreas Maier oder Oskar Schwenk.
Zu lang, zu kompliziert
Tine Hämmerle (Freie Wähler/Freie Demokraten) stufte die Vorschläge fürs alte Fellbacher Freibadareal als gelungen ein, weil sich auch Kinder daran erfreuen und sich solche Adressen wie etwa „Badstraße“ gut merken könnten. Anders sehe dies hingegen bei den angedachten Wissenschaftlerinnennamen fürs Gewerbegebiet aus. Ein Straßenname bedeute auch Identifikation, müsse zudem gut schreibbar und lesbar sein. Deshalb zeigte sie sich „nicht so glücklich“ über die Vorschläge. Frauen und auch Nobelpreisträgerinnen hätten häufig Doppelnamen, diese seien für derartige Zwecke „zu lang und zu kompliziert“, so Hämmerle.
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Diese These lässt sich nachprüfen, etwa beim Blick auf die Straßennamen-Vorschlagsliste der Verwaltung: Dort zu finden ist etwa eine Christiane-Nüsslein-Volhard-Straße (benannt nach der Tübinger Biologin und Nobelpreisträgerin) oder eine Maria-Goeppert-Mayer-Straße (Nobelpreisträgerin und Atomphysikerin).
Schwieriges Unterfangen
Straßennamen, ergänzte Tine Hämmerle, sollten doch nicht nur für Adressen von Bewohnern, sondern auch für die dortigen neuen Firmen mit Blick auf Telefonkontakten oder internationalem Anlieferverkehr „nicht zu lange und zu kompliziert“ ausfallen, wie es eben bei Doppelnachnamen von Forscherinnen der Fall wäre. Die Stadträtin plädierte eher für männliche Namen von „bekannten Tüftlern“ mit Fellbach-Bezug, zu verewigen etwa durch die Gerhard-Hummel-Straße oder Emil-Maier-Straße. Frauennamen könne man dann ja in weiteren Wohngebieten zum Zuge kommen lassen.
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Die Gegenposition vertrat Nadine Gothe (Grüne), für sie kommen die Wissenschaftlerinnen bei diesem Modell zu kurz. Ihr Vorschlag war, dieses Thema auch einmal in die Schulen zu tragen. Eher mit einem gewissen Seufzen quittierte SPD-Fraktionschef Andreas Möhlmann die Diskussion im Gremium: Offenkundig seien „Namensfindungen ein schwieriges Unterfangen“.
Gesucht: Tüftler mit Fellbach-Bezug
Im Gemeinderat einigte man sich schließlich mehrheitlich bei sechs Enthaltungen darauf, im weiteren Verfahren für die Namen im Gebiet Siemensstraße die bisher vorgesehene reine Konzentration auf Frauen aufzuweichen. Stattdessen soll das Spektrum auf Wissenschaftler, Unternehmer und Erfinder mit starkem Ortsbezug zu Fellbach konzentriert werden. Für die endgültige Namensfindung wird die Verwaltung dem Gemeinderat eine Auswahl an Namen samt Hintergrundinformationen vorlegen. „Wir arbeiten vor, und Sie haben die Möglichkeit, sich zu entscheiden“, erklärte Soltys.