Die Bahn überarbeitet für Stuttgart 21 ihr Störfallkonzept. Der künftige Halt Mittnachtstraße führt zu längeren Fahrzeiten.
Mit der Inbetriebnahme des Bahnprojekts Stuttgart 21 im Dezember 2025 wird der Schienenverkehr auf der ICE-Achse Stuttgart–Ulm stark beschleunigt. Wer mit der S-Bahn fährt, muss dagegen künftig mehr Zeit einplanen, auf der S 2 und S 3 bis zu fünf Minuten. Das liegt vor allem am neuen Halt Mittnachtstraße, der das künftige Wohngebiet Rosenstein erschließt. Zudem ändert die Bahn ihr Störfallkonzept. Im Notfall sollen künftig die Stadtbahnen alle S-Bahn-Reisenden aufnehmen.
Blechdach auf der Haltestelle
Die neue Haltestelle Mittnachtstraße ist bereits fertig. Wer auf den Hauptbahnhof zurollt, nimmt parallel zur Rosensteinstraße ein rund 270 Meter langes Blechdach wahr, das den neuen Bahnsteig überspannt – und verdunkelt. Manch Bahnreisender wundert sich, warum der Staatskonzern angesichts der Energie- und Klimakrise hier nicht auf transparente Solarmodule setzte. Man habe das Dach „gemäß des DB-Regelwerks im Frühjahr 2022 fertiggestellt“, heißt es in der Pressestelle des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm auf Anfrage. Derzeit prüfe man allerdings, ob das Dach mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden könne. Die DB arbeite grundsätzlich an Pilotprojekten zum Thema Fotovoltaik an Bahnhöfen.
Am neuen Halt ist für alle Linien ein Stopp von zwei Minuten vorgesehen. Diese 120 Sekunden pflanzen sich im S-Bahn-System fort. „Abfahrtszeiten werden sich ändern, Busverbindungen werden angepasst werden müssen“, klärte Jürgen Wurmthaler, Infrastruktur-Direktor des Verbands Region Stuttgart (VRS), in der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses über die Folgen auf.
Die S 2 und S 3 werden nach Filderstadt gewechselt
Außerhalb des Stadtgebiets werden Gleise zusätzlich auch vom Fern- und Regionalverkehr genutzt. Auf der S 2 (Schorndorf) und S 3 Backnang müssen daher Takte getauscht und zusätzlich drei Minuten zugegeben werden. Künftig wird die S 3 und nicht mehr die S 2 nach Filderstadt fahren. Diese Linien sind heute „kontinuierliche Spitzenreiter bei der Unpünktlichkeit, gemeinsam mit der S 1“, heißt es beim VRS. Daher sei die Fahrzeitverlängerung als „Qualitätspuffer“ zu sehen. Durch die neue Haltestelle, die direkt vor dem Hauptbahnhof liegt, werde der hochfrequentierte Halt dort entlastet. Viele Reisende wechseln bislang dort die Linien. Besonders heftig wird der Eingriff in Renningen, wo zwischen S 6 und S 60 nicht mehr zwei, sondern elf bis 14 Minuten für den Umstieg nach Böblingen bleiben. Damit werde diese Übereckverbindung völlig unattraktiv, monierte bereits der Regionalrat Bernhard Maier (FW).
Panoramastrecke nicht mehr erreichbar
Noch vor der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 ändert die Bahn AG ihr Notfallkonzept, weil sie von Sommer 2025 an nicht mehr auf die Panoramastrecke der Gäubahn als S-Bahn-Umleitung zurückgreifen kann. Sie wird vom System abgehängt. Bei Störfällen im Stammstreckentunnel wird der S-Bahn-Betrieb dann zweigeteilt. Die Züge enden im neuen Halt Mittnachtstraße und in Vaihingen. Die Lücke dazwischen sollen Reisende mit dem Wechsel auf die Stadtbahnen der Linien U 5, 6 und 14 überbrücken. In den Wagen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) sei genügend Platz, rechnete Rüdiger Weiß, der Leiter Betrieb und Fahrplan bei der DB Netz AG, vor. „Überzeugend und machbar“ nannte Regionalrat Maier das Konzept, „schockierend“ nannte es Philipp Buchholz von den Grünen. Er forderte eine alternative Lösung.
Störfälle dauerten in der Regel nur zwei Stunden, sagte Weiß. 2020 gab es 16, 2021 nach der Bahn-Statistik 15 Störfälle auf der Stammstrecke. Mit der neuen digitalen Signalisierung und neuen Weichen sollen es weniger werden. Man könne dann auch „flexibler reagieren“, so Weiß. Allerdings sollen künftig auch noch mehr S-Bahnen fahren. Die CDU dringt auf den 10-Minuten-Takt, der aktuell untersucht wird.