Der Mann, der dem Volk aufs Maul schaute: Martin-Luther-Denkmal in Wittenberg. Foto:  

Martin Luthers Bibelübersetzung bleibt das Maß aller Dinge. Für Protestanten sowieso – und für andere deutschsprachige Christen nicht minder.

Stuttgart – Die evangelischen Kirchen haben keinen Papst, dafür aber Martin Luther. Der ehemalige Augustiner-Eremiten-Mönch hat sich seinen Rang und Ruf hart erarbeitet. Nicht durch die berüchtigten Hetzschriften gegen Bauern und Juden, sondern durch seine meisterhafte und unerreichte Bibelübersetzung.

Neue Lutherbibel in altem Gewand

An diesem Mittwoch wird die überarbeitete Fassung der Lutherbibel dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, überreicht. An jenem geschichtsträchtigen Ort, wo einst alles begann – auf der Wartburg bei Eisenach. Hier hatte Luther (1483-1546) im Herbst 1521 in nur elf Wochen die 27 Schriften des Neuen Testamentes aus dem Lateinischen und griechischen Original ins Deutsche übertragen. Eine linguistische Großtat, die seinen überzeitlichen Ruhm begründete.

Klägliche Versuche Luther zu verheutigen

Als 1534 die erste Gesamt-Lutherbibel erschien, waren bereits 18 deutsche Bibelausgaben gedruckt worden. Doch die von „Martinus Luther“ war die schöpferischste, wichtigste und wortgewaltigste. Und sie ist es bis heute geblieben. Ein Grundbuch des Glaubens für Protestanten, ein Urquell der Sprache für die Deutschen. Alle Versuche, das titanische Werk zu verheutigen und verständlicher zu machen, waren nur ein müder Abklatsch des unübertroffenen Original. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts las der fromme Protestant in seiner geliebten Volksbibel in der Fassung von 1545. 1892, 1912 und 1975 brachte man in gutem Glauben und ehrenvoller Absicht Neuübersetzungen heraus. Die Theologen wollten Luthers Wortgewalt bändigen und in die jeweilige Gegenwartssprache übertragen. Das Ergebnis war so weit weg von Luthers Bibel, dass die Evangelische Kirche 1984 wieder zur (fast) originären Diktion des Sprachgenies zurückkehrte.

Zurück zu den Wurzeln

Der Kreis schließt sich wieder, wenn zum Reformationstag am 31. Oktober 2016 die neue Bibelübersetzung offiziell in den evangelischen Gemeinden eingeführt wird. „Back to the roots“ – „Zurück zu den Wurzeln“: Was genial ist, lässt sich nicht besser machen. Das haben die Verantwortlichen endlich eingesehen. Die neue Lutherbibel weist mindestens 12 000 veränderte Bibelverse auf. Neben neuen Forschungserkenntnissen ist es vor allem der ursprüngliche Luther, an dem man sich ausrichtet. Hoffentlich bleibt es dabei. Hoffentlich kommt nicht irgendwer wieder auf die Schnapsidee, das überzeitliche Großwerk zu verschlimmbessern.

Blick in Luthers Übersetzer-Werkstatt

Im „Sendbrief vom Dolmetschen“ von 1530 gibt „Martinus Luther“ tiefe Einblicke in seine linguistische Werkstatt. Der Reformator strebte bei seiner Übersetzungsarbeit nach der größten Verständlichkeit für die Leser. Wörtliche Übersetzungen, die am Sprachhorizont des einfachen Volkes vorbeigingen, lehnte er ebenso ab wie theologische Spitzfindigkeiten. „Ich hab mich des beflissen im Dolmetschen, das ich rein und klar Deutsch geben möchte“, schreibt er in dem umfangreichen Brief.Darin ist auch der viel zitierte Satz zu lesen: „Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, das man deutsch mit ihnen redet.“

Nur der Ikea-Katalog wird pro Jahr häufiger gedruckt

Das Buch der Bücher bricht alle Rekorde: Wie viele zig-Milliarden Exemplare bis dato gedruckt worden sind, weiß niemand so genau. Das Alte und Neue Testament wurden in mehr als 2300 Sprachen übersetzt – darunter Klingonisch (Kunst-Sprache einer außerirdischen Spezies in den „Star Trek“-Filmen) und Manx (ausgestorbene Sprache der Isle of Man). Nur der Ikea-Katalog hat mit einer Druckauflage von 219 Millionen (2015) eine größere Verbreitung. Aber das liegt ganz sicher nur an den vielen bunten Bildchen.