Nachdem mehr als fünf Jahre rund 70 Theologen den Bibeltext von Martin Luther überarbeitet haben, beginnt am 16. Juni 2016 in einer Druckerei im bayerischen Nördlingen die Produktion der neuen Lutherbibel. Foto: dpa

Fünf Jahre lang haben 70 Forscher fast 36 000 Verse von Luthers Bibel kritisch hinterfragt - und Tausende Änderungen vorgenommen. Das Erscheinen der neuen Bibel ist einer der Höhepunkte des Lutherjahres 2017. Das Buch wird die Kirche nun wieder Jahrzehnte begleiten.

Stuttgart - Nördlingen ist für viele herausragende Ereignisse bekannt. Die knapp 20 000 Einwohner zählende Gemeinde im schwäbischen Landkreis Donau-Ries in Bayern liegt inmitten des Nördlinger Ries, dem Einschlagkrater eines gigantischen Meteoriten, der vor 15 Millionen Jahren in die Alb einschlug.

Bereits 1522, drei Jahre nachdem Martin Luther (1483–1546) seine 95 Thesen gegen die Missbräuche beim Ablasshandel ans Tor der Schlosskirche in Wittenberg genagelt hatte, führten Kaspar Kantz und Theobald Billicanus in Nördlingen die Reformation ein.

Auch die gewaltige Schlacht vor den Toren der mittelalterlichen Stadt am 6. September 1634 während des Dreißigjährigen Krieges, bei der die kaiserlich-habsburgischen Truppen über die Schweden und ihre protestantischen deutschen Verbündeten kolossal triumphierten, konnten den Siegeszug der Lutheraner nicht bremsen.

Vierte grundlegende Überarbeitung der „Biblia Deudsch“

Nun wird der reformatorischen Historie der Ries-Stadt ein weiteres bedeutendes Kapitel hinzugefügt. An diesem Donnerstag (16. Juni) beginnt in der ehemaligen Reichsstadt der Druck der neuen Lutherbibel. Am 19. Oktober 2016 soll der neue Bibeltext in den Buchhandlungen liegen. Gut ein Jahr vor dem Höhepunkt der Feierlichkeiten – der 500. Wiederkehr des (historisch umstrittenen) Thesenanschlags am 31. Oktober 1517.

Seit der Reformator 1534 seine „Biblia Deudsch“ erstmals komplett veröffentlichte (das Neue Testament erschien bereits 1522 in deutscher Sprache), wurde sie bisher nur drei Mal (1892, 1912, 1964-1984) grundlegend überarbeitet.

Zuletzt galt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 32 Jahre lang diese revidierte Fassung der Lutherbibel von 1984 mit den beim Kirchenvolk äußerst unbeliebten sprachlichen Glättungen und zeitgemäßen Neuformulierungen.

Doctor Martinus Luther unvergleichliches Original

Was wäre eine 500-Jahr-Feier ohne eine Rückbesinnung auf des großen Doctor Martinus Luther unvergleichliches Original? Denn nichts anderes wollten die 70 Theologen, die mehr als fünf Jahre über dem Großwerk des Vaters der Reformation in Deutschland brüteten und den Text modernisierten.

Modernität bedeutet in diesem Fall: zurück zu den Wurzeln. Änderungen früherer Revisionen wurden wieder verworfen, die Übersetzer kehrten zu Luthers Verdeutschung zurück. Von den 35 598 Versen des „AT“ und „NT“ wurden laut Herausgebern etwa 44 Prozent geändert.

Zudem wurde der allerneueste Stand der Bibelforschung eingebracht. „Ziel war es, eine größere sprachliche Genauigkeit herzustellen und gleichzeitig der Sprachkraft Martin Luthers gerecht werden“, heißt es bei Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart. Luthers Sprachgewalt, theologische Genialität und geistige Impulsivität feiern in dieser vierten Revision fröhliche Urständ.

Luthers Sprachforschung

Schon bevor Luther das hebräische und griechische Original in die Sprache des Volkes übersetzte, gab es 18 verschiedene deutsche Ausgaben. Die Mentelin-Bibel von 1466 war die erste.

Der Reformator war indes der Erste, der als Vorlage neben der „Vulgata“ (der lateinischen Bibelübersetzung des Hieronymus vom Ende des vierten Jahrhunderts) die hebräischen und griechischen Urtexte verwendete, die erst wenige Jahre zuvor herausgegeben worden waren.

Gott selbst offenbart sich in der Bibel

Der ungeheure Erfolg der „Biblia Deudsch“ war nicht nur dem Massenbuchdruck und ihrer allgemein verständlichen Sprache zu verdanken. Luther selbst war es, der der Bibel wieder ihren herausragenden Stellenwert verschaffte.

Seine zentrale theologische Erkenntnis wurde zum Programm der gesamten Reformation: Gott selbst offenbart sich in der Bibel. Der Gläubige braucht nicht Kirche, Bischöfe und Priester, um zu ihm wie ein Bittsteller vorgelassen zu werden. Jeder Christ hat durch die Heilige Schrift direkten Zugang zum „Vater im Himmel“ und zu Jesus Christus dem „fleischgewordenen Wort Gottes“.