Mit der Sitcom „Stromberg“ hat Christoph Maria Herbst den Sprung zum Filmschauspieler geschafft. Nun ist er gleich in zwei Kinofilmen zu sehen – um was es geht und warum er sich manchmal missverstanden fühlt, erzählt er im Gespräch.
Stuttgart - Reden kann Christoph Maria Herbst – im Interview tut er dies über britischen Humor, Lampenfieber und Vorurteile gegenüber Comedians.
Herr Herbst, Sie gehören mit Anke Engelke und Bully Herbig zu einer Generation, die den deutschen Humor aufgefrischt hat. Was ist damals passiert?
Wir haben viele angloamerikanische Humor-Elemente eingebaut, gerade auch in „Ladykracher“, wo für mich alles angefangen hat. Anke Engelke ist meine Ziehmutter – das würde sie sicher gerne hören. Bei mir ging es dann total englisch weiter mit „Stromberg“, einer Adaption der Serie „The Office“. Viele waren froh, dass diese Humorfarbe wieder aufgetaucht ist, das gab’s ja vorher schon mal, Stichwort „Ekel Alfred“.
In „The Office“ hat Ricky Gervais die Rolle des Chefs brillant gespielt. Haben Sie sich das angeschaut?
Mir war erst gar nicht bewusst, dass es die Vorlage gibt. Ich hätte sie auf keinen Fall angeschaut, weil ich mein eigenes Ding machen möchte, nicht etwas nachspielen, plagiieren, imitieren. Das muss am Ende ja auch auf unseren Kulturkreis passen. Und der ist nun mal ein anderer als der britische.
Im aktuellen Kinofilm „Es ist nur eine Phase, Hase“ ist der Humor stellenweise derber, ihre Figur muss zum Urologen . . .
Das sind ja nur kleine Gag-Inseln. Ich habe nichts gegen eine Torte, sie muss nur gut geworfen sein. Mit der Kugel im Hintern hätte ich ein Problem gehabt, wenn sie in einer Sketchparade um ihrer selbst willen aufgetaucht wäre. Aber es wird nachvollziehbar erzählt, wie es dazu kommt. Florian Gallenberger kommt ja eher vom Drama, ihm war es wichtig, die Beziehungskrise der beiden Figuren wirklich auszuloten und dafür bei den Gags mutig und rustikal zu sein.
Wie schafft man es denn, nicht zu lachen, wenn die Lehrerin Schneiderhahn in Gestalt von Jytte-Merle Böhrnsen im Auto über einen herfällt?
Jytte ist es gelungen, dass diese schwierige Figur nicht in eine nymphomane Bitch abrutscht. Die Szene mit dem Slip im Auto war ihr erster Drehtag, was organisatorische Gründe hatte, aber immer ungünstig ist. Sie wollte Grenzen ziehen, mich nicht überfordern mit dieser Zunge, die mir die Wange hochläuft, aber ich habe gesagt: Was die Schneiderhahn jetzt tun möchte, tust du! Und dann haben wir unsere Visiere hochgeklappt und geschaut, dass wir Spaß haben.
Dieser Paul hat Stuntszenen, steht einmal auf einem Lkw. Machen Sie das selbst?
Wenn es die Versicherung zulässt, möglichst ja, denn jeder hat ja seine eigene Körperlichkeit. Es gibt tolle Stuntmen, die das virtuos imitieren, aber Paul ist kein Sportler, und ich habe nun mal diesen Bauch. Schrammen und blaue Flecken nehme ich in Kauf, wenn ich beim Karaoke-Singen eins in die Schnauze kriege und in die Spiegel stürze.
Anhänger des Method-Actings sagen, man müsse das alles selbst machen, um voll in der Rolle zu sein . . .
Ich bin ja nur ein Method-Comedian. Und meine Fantasie ist zu groß, als dass ich das wirklich erlebt haben müsste. Die Transferleistung lässt sich intellektuell meistern.
Apropos Comedian: War der Umstieg ins Filmgeschäft schwer?
Es gibt große Berührungsängste. Bei „Ladykracher“ war ich Sketche-Spieler. Man hat mir dann Sketchshows angeboten, aber ich habe standhaft abgelehnt, bis die Sitcom „Stromberg“ kam. Das hat Türen geöffnet, aber viele dachten: Der spielt das so überzeugend, der muss selbst so sein. Ich wurde lange darauf angesprochen, wo ich diese Sprüche herhabe. Leute, ich bin nicht von Haus aus ein misogynes, rassistisches Arschloch, ich spiele das nur! Autoren schreiben das, ich lerne das nur auswendig und lüge so überzeugend, dass man mir das glaubt!
In Sönke Wortmanns Film „Contra“ spielen Sie nun den Professor Pohl, der sehr komplizierte Dialoge spricht: Hatten Sie dafür schon immer eine Begabung?
Was besonders leicht aussieht, ist immer die schwerste Knochenarbeit. So was gelingt auch nicht beim ersten Take. Wenn ich an der Alten Oper in Frankfurt vor 100 Komparsen den Bruno Ganz geben soll, lässt mich das nicht kalt. Aber schon im Deutsch-Leistungskurs, als wir den „Untertan“ gelesen haben, war die Frage, wer das nächste Kapitel vorlesen möchte, noch nicht zu Ende gestellt, da ging meine Hand schon hoch. Alle anderen duckten sich weg. Ich hatte damals schon wahnsinnig Spaß daran, Heinrich Manns Sätze zu sprechen, die teilweise ja unsprechbar sind.
Anders als Stromberg wandelt Pohl sich zum Menschen. Hat Sie das gereizt?
Absolut, einfach nur einen Zyniker zu spielen hätte mich nicht interessiert, das muss schon rotlippig sein, ich muss ein Herz schlagen spüren. Pohl ist ja nicht als Zyniker geboren, sondern ein enttäuschter Romantiker, den das Leben aus der Bahn geworfen hat.
Pohl beleidigt rassistisch die Migrantentochter Naima, gespielt von Nilam Farooq. Da geht es um jedes Wort – wie viel Vorbereitung steckt in dieser Szene?
Da ist eine Menge Arbeit, Sönke macht gerne Leseproben, weil da oft noch etwas entsteht. Viel läuft über Humor, wir haben viel gelacht, aber am Drehtag muss man sich disziplinieren. Die 100 Komparsen im Hörsaal, zum Teil echte Studierende, wussten vorher nicht, worum es geht. Authentischere Reaktionen kann man gar nicht generieren, Gelächter, Unverständnis, Kopfschütteln – das ist geradezu halbdokumentarisch. Nilam brannte wie ein Vulkan, sie trägt den ganzen Film. Aber sie hatte ungeheuren Respekt und Riesenschiss – genau wie ich. Ich kann die letzten Nächte vorher immer nicht schlafen.
Sie sagen, in der Vorbereitung entsteht noch viel – haben Sie dafür ein Beispiel?
In einer Szene stellt Pohl einer Putzfrau die Studentin vor: „Das ist Naima, heute mal ohne Sprengstoffgürtel.“ Das war improvisiert. Wir haben weitere Takes gedreht ohne den Sprengstoffgürtel, aber am Ende ist er dringeblieben. Gute Regisseurinnen und Regisseure zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Kreativität und die Intuition ihrer Menschdarsteller nicht abwürgen, sondern sie im Gegenteil einladen, mit selbiger zu arbeiten – das kommt ja am Ende dem Projekt zugute.