Weil der Stadt soll mit Häugern-Nord wachsen. Ohne Widerstand wird das nicht passieren. Foto: Jürgen Bach

Im Netz wird gegen das Weiler Neubaugebiet Häugern-Nord mobil gemacht – per Desinformationskampagne, sagt die Stadtverwaltung. Auch ein bayerischer Naturschutzverein hat sich jetzt eingeschaltet.

So mancher aufmerksame Zuhörer konnte in der jüngsten Sitzung des Weil der Städter Gemeinderats ungewöhnliche Vorgänge beobachten: Zum einen war da der Antrag von Bürgermeister Christian Walter, zwei Tagesordnungspunkte zum geplanten Neubaugebiet Häugern-Nord nicht wie gewöhnlich als Videomitschnitt im Internet hochzuladen – obwohl das der Gemeinderat vor rund zwei Jahren aus Transparenzgründen eingeführt hatte.

 

Zum anderen war es das Abrücken des Ersten Beigeordneten Jürgen Katz bei eben jenen Häugern-Themen. Die bisherigen Beschlüsse wurden stets von ihm goutiert.

Bayrischer Naturschutzverein schaltet sich ein

Zwar ist das rund zehn Hektar große Baugebiet am nördlichen Rand der Kernstadt schon seit über fünf Jahren in Planung, ein finaler Beschluss zum Bebauungsplan steht allerdings noch aus. Kurz vor der Zielgeraden scheint der Druck auf die Stadt nun zu steigen – an den ungewöhnlichen Vorgängen in der Gemeinderatsitzung gut zu beobachten. Bereits im Frühjahr hatte der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) mit einer Klage gedroht, sollte das Projekt weiter voranschreiten.

Eingeschaltet haben sich nun auch einige Akteure, die mit Weil der Stadt auf den ersten Blick kaum etwas zu tun haben – und jeweils überhaupt nicht in Baden-Württemberg ansässig sind. Über einen Münchner Anwalt hat der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität (VLAB) mit Sitz im bayerischen Erbendorf gefordert, vor dem noch ausstehenden Satzungsbeschluss zu Häugern-Nord keine weiteren Beschlüsse zu diesem Projekt zu fassen, sagt die Stadtverwaltung auf Nachfrage unserer Zeitung. Tätig ist der VLAB vor allem in Bayern, wo er gerne gegen Windkraftprojekte klagt. Als „reichlich absurd“ bezeichnet die Weiler Verwaltung nun die geäußerte Forderung zu Häugern-Nord. Die in der jüngsten Gemeinderatssitzung gefassten Beschlüsse seien notwendig oder zu einem späteren Zeitpunkt völlig unsinnig. Die Forderung „ist zudem rechtlich nicht untermauert, sondern eher politisch zu verstehen“, heißt es von der Stadt. Die angesprochenen Beschlüsse betreffen unter anderem den Neubau eines Kreisels, mit dem Häugern-Nord verkehrlich angeschlossen werden soll.

Bürgermeister spricht von „Desinformationskampagne“

Auch im Netz tauchte in der Zwischenzeit eine Webseite auf, die – so klang es in der Gemeinderatssitzung durch – von einem anonymen Weil der Städter beauftragt worden sein soll. Umgesetzt wurde die Seite von einer Digitalagentur, die ebenfalls aus der Nähe von München kommt. Dokumentiert wurden auf der Seite nach Angaben des Betreibers Informationen rund um Häugern-Nord, diese aber mit recht kritischer Haltung gegenüber dem Projekt.

Dass – auch über besagte Webseite – „massiv Falschaussagen“ kursieren würden, beklagte Bürgermeister Christian Walter im Gemeinderat. Er spricht von einer „Desinformationskampagne“. Welche Falschinformationen konkret im Umlauf sind oder waren, will er nicht spezifizieren. „Da die Verwaltung momentan rechtlich gegen die Falschaussagen der Desinformationskampagne vorgeht, kann die Frage mit Blick auf das laufende Verfahren nicht beantwortet werden.“ Zum Redaktionsschluss waren die Webseite und die Auftritte in den Sozialen Medien schon nicht mehr verfügbar.

Die Vorbeugung weiterer falscher Infos war für den Bürgermeister Anlass für die Entscheidung, die Videomitschnitte aus dem Gemeinderat zum Thema Häugern-Nord nicht wie gewohnt zu veröffentlichen. Bislang wurden die Aufzeichnungen nicht missbräuchlich verwendet, so die Stadt auf Nachfrage. „Bei anderen öffentlich zugänglichen Unterlagen, etwa Sitzungsunterlagen oder Pressemitteilungen der Stadt, ist dies aber leider der Fall“, heißt es weiter. „Es handelt sich also um eine Vorsichtsmaßnahme.“

Rechtssicherheit des Häugern-Beschlusses ist Priorität

Eine Vorsichtsmaßnahme war es auch, dass der Erste Beigeordneter Jürgen Katz bei den Beschlüssen zu Häugern-Nord nicht mitgestimmt hatte. Dieser war vor seiner Amtszeit bei der Stadt Geschäftsführer jener Gesellschaft, die Häugern-Nord erschlossen hat. „Das bedeutet jedoch ausdrücklich nicht, dass hier ein konkreter Interessenskonflikt vorliegt“, so Walter. „ Im Gegenteil kann dieser ausgeschlossen werden, da sich für Jürgen Katz aus dem Projekt kein Vor- oder Nachteil ergeben kann.“ Es handle sich also um eine reine Vorsichtsmaßnahme, um die Rechtssicherheit zu erhöhen.