Orlando Schwerdt als Julien und Ariella Glaser als Sara in einer Szene des Films „White Bird“ Foto: dpa/Larry Horricks

Mit „White Bird“ verfilmt Marc Forster aufrichtig und sensibel ein Jugendbuch über die Zeit des Naziterrors – wäre da nur nicht dieser Schluss.

Es ist hart, nicht dazu zu gehören, erfährt der 17-jährige, verwöhnte Julien (Bryce Gheisar) an seinem ersten Tag an der neuen High School. An seiner alten Schule hat Julien einen Kameraden mit Behinderung gequält. Jetzt muss er sich selbst als Außenseiter in eine neue Gemeinschaft fügen. Mit den Eltern, die ständig unterwegs sind, kann Julien seine Sorgen nicht besprechen. Doch dann kreuzt Oma Sara (Helen Mirren) auf, um sich den geknickten Teenie vorzunehmen.

Marc Forsters „White Bird“ basiert auf dem gleichnamigen Jugendbuch von Raquel J. Palacio und erzählt eingebettet in eine moderne Rahmenhandlung von der Kindheit der Jüdin Sara (als Teenager: Ariella Glaser), die mit ihren Eltern im Elsass lebt, als die Nazis einmarschieren. Als alte Frau berichtet Sara ihrem Enkel, wie sie die Trennung von ihren Eltern und ein jahrelanges Leben im Versteck bei den mutigen Beaumiers erlebt hat, wo ihr besonders die Mutter Vivienne (Gillian Anderson) und ihr durch eine Polio-Infektion gehbehinderter Klassenkamerad Julien (Orlando Schwerdt) Halt gaben.

Explizite Szenen von Gewalt und Tod

„White Bird“ zielt auf ein jugendliches Publikums, schildert aber auch in teilweise expliziten Bildern Szenen von Gewalt und Tod. Als etwa die jüdischen Kinder von den Nazis aus der Dorfschule gerissen werden, wird ein Junge noch im Schulhof per Kopfschuss ermordet. Forster erzählt auch, wie sich Klassenkameraden von Julien und Sara den Nazis anschließen und fortan Jagd machen auf Juden und deren Unterstützer. Wie toxisch Gruppenzwang und Mitleidlosigkeit auf Gemeinschaften wirken, arbeitet er gründlich heraus. Entspannung bieten Szenen, die von der sich vertiefenden Freundschaft zwischen den Teenagern handeln.

Sentimental triefender Schluss

Forster schwelgt in dieser Kinderromanze, entgeht da aber noch dem Kitsch, weil er die Zuneigung und Solidarität der beiden ohne erwachsene Herablassung betrachtet. Der Film könnte durchweg gelungen sein, wäre da nur nicht der sentimental triefende Schluss, mit Oma Sara als flammender Rednerin vor einer heutigen, divers besetzten Schar, die mit gereckter Faust „Vive l’Humanité!“ ruft. Die herbei gezerrte Pointe verflacht die Katastrophe des Holocaust zum Exempel, warum man stets lieb miteinander sein sollte. In Anbetracht der vielen Vorzüge des Films ist Forsters finales Zugeständnis an den Kitsch ziemlich schade.

White Bird. USA 2023. Regie: Marc Forster. Mit Ariella Glaser, Helen Mirren, Gillian Anderson, Orlando Schwerdt. 120 Minuten. Ab 12 Jahren