Das Erfolgsrezept der Eberhofer-Krimis aus Durchschnittlichkeit, schwarzem Humor und überzeichneten Settings schlägt sich auch im neuen Streifen nieder. Daniel Christensen (li.) als Ignaz Flötzinger und Sebastian Bezzel als Franz Eberhofer im Tipizelt. Foto: dpa/Bernd Schuller

Rita Falk hat mit ihren Provinz-Krimis um ein fiktives niederbayrisches Dorf enormen Erfolg, auch die Verfilmungen kommen bei einem Millionenpublikum gut an. Geht mit der neueste Folge „Rehragout Rendezvous“ alles wie gewohnt weiter?

Die Welt ist nicht mehr dieselbe auf dem Eberhofer-Hof: Die Oma will nicht mehr! Ausgerechnet beim Heiligabendschmaus verkündet die Seniorin, sie habe mit bald 90 keine Lust mehr auf Putzen, Kochen, Bügeln und zöge nun aus, zur Mooshammer-Liesl, aufs wohlverdiente Altenteil. Schockstarre bei dem Dorfpolizisten Franz (Sebastian Bezzel), seiner Susi (Lisa Maria Potthoff), dem Papa Eberhofer (Eisi Gulp) und dem Rest der Blosn, die sich in den acht vorherigen Verfilmungen der Eberhofer-Krimis so sehr auf das Organisationstalent der Oma (Enzi Fuchs) verlassen haben, dass die nun nicht wissen, wie sie selbstständig einen gutbürgerlichen Haushalt schaukeln sollen.

Die Aufklärung des Verbrechens bleibt wie immer zweitrangig

Wer vertraut ist mit dem von der Autorin Rita Falk geschaffenen Eberhofer-Kosmos, ahnt, dass der Streik der Oma in der neuen Adaption „Rehragout Rendezvous“ noch zu argen Problemen führen wird. Und dass diesem Schlag weitere folgen werden, üblicherweise ein Mord, beziehungstechnische Verwerfungen bei Franz und Susi, die sich die Versorgung des gemeinsamen Sohnes Pauli immer noch nicht paritätisch teilen, dazu die Eifersucht von Franz’ Ex-Kollegen und bestem Freund Rudi (Simon Schwarz), der sich als Privatdetektiv seine Kröten sauer verdienen muss. Ganz zu schweigen von den verkorksten Existenzen von Leopold Eberhofer (Gerhard Wittmann) und Ignaz Flötzinger (Daniel Christensen), bei denen es ohne deren Gattinnen und Kinder auch nie rundläuft.

Der Erfolg der Eberhofer-Krimis reißt nicht ab, weder in literarischer noch in filmischer Form, ein erstaunliches Phänomen. Man kann sich fragen, was Menschen an diesen fast zum Klischee erstarrten Durchschnittstypen aus der niederbayrischen Provinz so fasziniert, wenn noch dazu die Aufklärung der für einen Krimi so zentralen Morde zweitrangig bleibt.

Aber es ist gerade diese Durchschnittlichkeit, gepaart mit schwarzem Humor, etwas Alltagstragik und nachvollziehbaren Problemen in einem so prototypischen wie überzeichneten Dorfsetting, die Fans seit dem ersten Roman „Winterkartoffelknödel“ (2011) und dem ersten Film „Dampfnudelblues“ (2013) unter der verlässlichen Regie von Ed Herzog bei der Stange hält. Mochte die Qualität der einzelnen Filme schwanken und manche mit Abweichungen von der literarischen Vorlage hadern; die inzwischen neunte Verfilmung eines Eberhofer-Krimis beweist, dass das deutsche Kino- und Fernsehpublikum nach Seherfahrungen mit Dauerbrennern wie „Tatort“ oder „Lindenstraße“ auf Kontinuität setzende Stoffe schätzt. Selbst wenn die „Tatort“-Einschaltquoten schwächeln und die „Lindenstraße“ nach 35 Jahren aufgrund erlahmenden Zuschauerinteresses 2020 eingestellt wurde.

Susi wird zur Stellvertreterin des Bürgermeisters

Als Filme funktionieren die Eberhofer-Krimis wohl vor allem wegen der beiden Hauptdarsteller Sebastian Bezzel und Simon Schwarz, die das in Hassliebe verbundene Duo mit viel Einfühlungsvermögen und breitem Dialekteinschlag geben. Deren Chemie stimmt auch in „Rehragout Rendezvous“, was nicht nur den familiären Konflikt um den Oma-Streik zu bieten hat, sondern auch mit einer hübschen Anspielung auf David Lynchs düsteren Thriller „Blue Velvet“ (1986) beginnt. Ein abgetrenntes Ohr auf einem Acker leitet Franz und Rudi zu einem Mord, den sie zunächst als Vermisstenfall geführt hatten. Nachdem der örtliche Pfadfinderverband weitere Teile des gesuchten Bauern Steckenbiller gefunden hat, ist klar: Es geht hier um ein Verbrechen.

Die Ermittlungen werden jedoch nicht nur durch das Eberhofer Haushaltschaos erschwert, sondern auch von Susis Karriere-Ambitionen als Stellvertreterin des im Skiurlaub verunglückten Bürgermeisters.

„Rehragout Rendezvous“ knüpft mit seinem hemdsärmeligen Humor und der um die Ecke gedachten Anlage des Plots zwar an das bewährte Muster der Vorgängerfilme an. Diesmal versuchen aber die weiblichen Protagonistinnen, den Männern die Show zu stehlen – neben der Oma und Susi auch die Mooshammer-Liesl (Eva Mattes) mit ihrer feministischen Landfrauengemeinschaft. Mit Verspätung, aber immerhin ist das Thema Emanzipation damit auch in Niederkaltenkirchen angekommen. Ed Herzog inszeniert das jedoch nicht besonders konsequent. So stöckelt Susi im Bleistiftrock und auf High Heels zum Vor-Ort-Termin auf dem Acker und liefert sich mit der Sekretärin einen Zickenkrieg. Echter Feminismus sieht anders aus. Für Fans der bisherigen Filme ist „Rehragout Rendezvous“ trotz mancher ideologischer Neuerungsversuche also ein bewährter Spaß. Denn in Niederkaltenkirchen bleibt doch alles beim Alten.

Rehragout Rendezvous. Deutschland, 2023. Regie: Ed Herzog. Mit Sebastian Bezzel, Lisa Maria Potthoff. 97 Minuten. Ab 12 Jahren, Start: 10. 8. 2023

Das Dorf

Niederkaltenkirchen
 gibt es wirklich, es heißt nur Frontenhausen und liegt im niederbayrischen Landkreis Dingolfing-Landau. Weil in dem Ort die Dreharbeiten zu allen Eberhofer-Krimis stattfanden, wurde der Kreisverkehr am Ortseingang zum Franz-Eberhofer-Kreisel. Der spielt auch in „Rehragout Rendezvous“ eine wichtige Rolle im Rahmen von Susis neu angestoßener PR-Kampagne für das touristisch unerschlossene Niederkaltenkirchen.

Die Filme
Zwölf Bücher hat Rita Falk bisher verfasst, mit „Rehragout Rendezvous“ wurden neun davon verfilmt. Der in Calw geborene und in Berlin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie ausgebildete Regisseur Ed Herzog legt viel Wert auf liebevolle Details und Kontinuität. Zum ersten Mal ist neben Franz und Rudi nun aber auch Susi auf dem Filmposter zu sehen.