Song (Tang Wei) und Jang (Park Hae il) kommen sich näher. Foto: Plaion Pictures

Der beim Festival in Cannes ausgezeichnete Thriller „Die Frau im Nebel“ des südkoreanische Regisseurs Park Chan-wook hat es in sich.

Das Leben als Cop ist beschwerlich, zumindest, wenn man den Job ernst nimmt. Kommissar Jang Hae-joon (Park Hae-il) gehört zu den besonders Eifrigen und kraxelt sogar mit einem auf seinem Rücken festgeschnallten Kollegen eine Steilwand hinunter, um die Flugbahn des Opfers seines neuesten Falles korrekt nachzuvollziehen. Das Opfer ist ein Mann um die sechzig und mausetot, sein von harten Kollisionen mit der Steilwand lädierter Körper liegt am Fuß des Berges. Vielleicht ist der Mann bloß beim Wandern verunglückt, vielleicht hat ihn aber auch jemand über die Hangkante geschubst. Hae-joon muss entsprechenden Indizien nachgehen und befragt die Witwe des Toten, Song Seo-rae (Tang Wei), eine nach Südkorea geflüchtete Chinesin, die von ihrem Gatten offenbar nicht immer gut behandelt wurde.

Grübeleien halten ihn wach

Nach klassischem Muster beginnt Park Chan-wooks Thriller „Die Frau im Nebel“ mit einem kauzigen Ermittler und einer schönen wie rätselhaften Verdächtigen im Zentrum des Plots. Doch Park hat nicht nur eine Vorliebe für Genremeister des europäischen und amerikanischen Kinos wie Alfred Hitchcock oder Roman Polanski; er hat mit brachialen Werken wie dem Rachedrama „Oldboy“ (2003) selbst Meilensteine gesetzt und Südkorea als Filmnation für Europäer und Amerikaner interessant gemacht.

„Die Frau im Nebel“ kommt im Gegensatz zu Parks früheren Arbeiten ohne heftigere Gewaltexzesse aus und wirkt deshalb zugänglicher. Park erzählt, wie der unter schwerer Schlaflosigkeit leidende Ermittler mit der Observation der Witwe beginnt. Hae-joon beobachtet, wie Seo-rae mit Hingabe alte Leute pflegt, abends allein vor dem Fernseher Eiscreme löffelt und anschließend mit einer Zigarette auf dem Sofa einschläft. Hae-joon selbst führt eine lieblose Wochenendehe mit seiner Frau Jung-an (Lee Jung-hyun), Grübeleien über seine Fälle halten ihn wach. Bis er bei den nächtlichen Observationen von Seo-rae zur Ruhe kommt und in seinem Wagen einschläft.

Makabre Witze

Aus der Überwachung entwickelt sich eine Beziehung, wobei Park Chan-wook geschickt in der Schwebe hält, ob Seo-rae eine berechnende Mörderin oder eine zu Unrecht Verdächtigte ist. Die Erzählung entspinnt sich langsam und detailreich, Park setzt zwischendurch auf makabren Witz, zeigt etwa aus Sicht des toten Wanderers, wie ihm Ameisen über die Augäpfel krabbeln. Komische Nebenfiguren wie Hae-joons dauer-plappernde Assistentin bei einem zweiten mysteriösen Mordfall lockern die teils düstere Atmosphäre immer wieder auf. Völlige Entspannung gibt es bis zum Finale des wendungsreichen Thrillers aber nicht. Weil Park die Erzählzeit mal dehnt, mal rafft, mit Komik und Tragik jongliert und in eleganten Bildern beschreibt, wie das Leben von Hae-joon und Seo-rae immer mehr aus der Spur läuft, vergeht die überlange Spielzeit des Films wie im Flug. So erschütternd das Ende dieses bitter-romantischen Krimis auch ist, man hätte gern mehr Zeit in der Welt von Park Chan-wook.

Die Frau im Nebel: Südkorea 2022. Regie: Park Chan-wook. Mit Tang Wei, Park Hae-il. 138 Minuten. Ab 16 Jahren.