Mit dem Kanu unterwegs auf dem Neckar. Quelle: Unbekannt

Auf den Spuren Mark Twains: Mit dem Kanu auf dem Neckar von Jagstfeld nach Pleutersbach.

Jagstfeld/Pleutersbach - Die Schönheit Deutschlands lasse sich am besten auf dem Neckar erleben, schrieb einst Mark Twain. Unser Autor ist auf den Spuren des Abenteuerschriftstellers drei Tage lang mit dem Kanu den Neckar hinuntergefahren.

"Ihr müsst nur zwei Handbewegungen beherrschen", begrüßt uns Thomas Dierolf in Jagstfeld. Dann sticht er mit dem Paddel von rechts oben nach links unten durch die Luft. Alles klar, das bedeutet paddeln. Als Nächstes legt Thomas die Handinnenflächen zusammen, macht einen Zug vor der Brust (Handbewegung Nummer 2: schwimmen), um schließlich die Schwimmwesten zu verteilen. Und los geht's.

Zwei Burgen, ein Schloss, unzählige Zickzackkurven

Das Kanu gleitet fast wie von allein den Neckar runter. Mit dem Steuern klappt's hingegen nicht auf Anhieb. Thomas, der uns als Guide den ersten Tag begleitet, zeigt, wie es geht. Paddel rechts ins Wasser und gegen die Strömung drücken: Das Kanu schwenkt nach rechts. Klingt einfach, aber als nach zwei Neckarkilometern die "Lux Vera" mit 12.000 Tonnen Kies an Bord und entsprechend hoher Bugwelle vorbeiwuchtet, landen wir erst einmal im Ufergestrüpp. Kanuexperte Thomas weiß Rat. "Nicht zur Seite, sondern nach vorn oder hinten ducken, dann könnt ihr nicht kentern!", ruft er übers Wasser. Wir überstehen das erste Abenteuer auf dem Neckar trocken.

Klatschnass kam hingegen Mark Twain in Hirschhorn an, dem Endpunkt einer Neckarfahrt im Sommer 1878. Ein kräftiger Regenguss ließ die Flussfahrt feucht ausklingen. Der Amerikaner auf Deutschlandbummel war auf einem Floß in Heilbronn gestartet, unerschrocken, wie es sich für einen Abenteuerschriftsteller gehört zwischen "großen Kähnen, die Segel, Maultierkraft und Flüche als Antrieb benutzen". Aus der Reise wurde ein Buch, mit dem wir auf den Spuren von Mark Twain den Neckar runterpaddeln. Einen Unterschied gibt es allerdings: Statt aufs Floß steigen wir ins Kanu. Wir haben uns für eine dreitägige Tour von Jagstfeld nach Pleutersbach entschieden.

Wuchtige Mauern, ein romanischer Giebel, Zinnen und nadelspitze Kirchtürme tauchen hoch über dem linken Ufer auf. Die Paddel ruhen, alle Hälse recken sich nach oben. Bad Wimpfen ist die erste Seite eines Bilderbuchs, durch das wir in den kommenden Tagen sanft hinwegschunkeln. Zwei Burgen, ein Schloss, unzählige Zickzackkurven und ein Fachwerkstädtchen weiter leuchtet die Abendsonne das Neckartal aus. Beim Aussteigen in Haßmersheim kann sich der Blick nicht von den rotgold getränkten Ufern lösen. Das Dorf war früher der größte Schifffahrtshafen am Neckar. Über die Hälfte aller Kapitäne auf dem Fluss stammten aus Haßmersheim. "Da kennt man sich mit nassen Socken und Hosen aus", witzelt Ute Schorn, die Wirtin vom Gasthof zum Ritter.

Der Gipfel an Schönheit

Tag zwei, allein auf dem Neckar: Unser Guide hat sich verabschiedet. Unternehmungslustig steigen wir in Haßmersheim ins Kanu. Heute wird eine Burg besichtigt. So viel Zeit muss sein, trotz der knapp zwanzig bevorstehenden Paddelkilometer. Die Entscheidung fällt für Burg Hornberg, auf der Götz von Berlichingen gehaust hat. Vom Holzanleger in Steinbach geht's den steilen Burgberg hinauf. Ein Café mit grandioser Aussicht gibt es auch. Von der Terrasse ist unser Kanu nicht mehr als ein winziger roter Punkt. Umso imposanter wirkt die Schleuse Neckarzimmern weiter flussabwärts - die nächste Bewährungsprobe.

Meter um Meter sinken die Kanus zwischen glitschigen Wänden herunter. Erst verschwinden die Ufer, dann die Baumwipfel über den Köpfen. Zum Schluss ist das Neckartal nur noch ein rechteckiges Stück blauer Himmel. Als sich die Stahltore der Schleuse wieder öffnen, erscheint uns der Fluss breiter als der Mississippi und fast ebenso unberührt.

Der Gipfel an Schönheit

Am dritten Tag liegt ein Hauch Kanada über dem Fluss. Wir haben die Nacht nördlich von Neckargerach im Gasthof Grüner Baum verbracht. Graureiher segeln übers Wasser. Kraftstrotzend bäumt sich der Odenwald auf und drückt immer enger das Tal zusammen. Erst Burg Zwingenberg holt uns in Twains Good Old Germany zurück. Besichtigen kann man das stolze Gemäuer nicht: Der besterhaltenste Adelssitz am Neckar befindet sich seit 1808 im Privatbesitz der badischen Großherzöge.

Auch "Karl" hat als Fähre längst abgedankt. Hübsch rausgeputzt lockt das knallblaue Schiffchen zu Füßen der Burg in den Gasthof Hirsch. Dessen Wirt weiß, was müde Kanuten wieder munter macht. Kässpätzle und Schupfnudeln natürlich und die Liegewiese am Ufer. Ein nettes Plätzchen für das Verdauungsschläfchen. Nur allzu lange können wir nicht liegen bleiben. Noch liegen 8,5 Kilometer paddeln bis zum Etappenziel Pleutersbach vor uns.

Eberbach schiebt sich mit Gründerzeithotels, Weinlauben, Uferpromenade und Burgruine ins Talpanorama. Das Paddeln geht längst wie von selbst. Nur an die Kanuperspektive, aus deren Tiefe Burgen und Uferorte umso prachtvoller wirken, haben wir uns auch am dritten Tag noch nicht gewöhnt. "Deutschland ist im Sommer der Gipfel an Schönheit, aber niemand hat das höchste Ausmaß dieser sanften und friedvollen Schönheit begriffen, wirklich wahrgenommen und genossen, der nicht ...den Neckar hinabgefahren ist", notierte Twain während seiner Reise. Beim Blick auf Eberbach wissen wir, dass die Worte des Amerikaners bis heute Gültigkeit besitzen.

Mehr Informationen zur Neckarfahrt im Kanu finden Sie hier.