Rob Stewart auf Tauchgang mit Haien in „Passion For Planet“ Foto: Werner Schuessler

„Augenöffnende Filme“ von fünf Tierfilmern hat Werner Schuessler (Buch, Regie und Kamera) für „Passion for Planet“ binnen sieben Jahren zu einem filmischen Meisterwerk gefügt.

Stuttgart - Der Torso einer Autobahnbrücke ragt in die Landschaft. Ist sie fertiggestellt, trennt sie e Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen. Der Preis des Tempos ist hoch, aber keiner wehrt sich – Mecklenburg ist strukturell „unterentwickelt“. Von schnelleren Wegen erhoffen sich Politik und Wirtschaft konjunkturelle Belebung.

Jan Haft, bayrischer Naturfreund und Tierfilmer, sitzt in seinem handgezimmerten Horst im Baumfirst und beobachtet Seeadler bei der Aufzucht ihrer Brut. Vor Jahren noch vom Aussterben bedroht, hat sich ihre Population durch Artenschutz wieder erhöht. In grandiosen Luftbildern zeigt Haft die scheinbar unzerstörte Landschaft Mecklenburgs, zeigt die Schönheit von Mooren und sagt: „Moore sind Speicher für schädliche Gase, Moorschutz ist Klimaschutz“.

In Indien filmt Rita Banerji das Schlüpfen von Meeresschildkröten. In Massen quälen sich die Jungtiere aus den im Sand abgelegten Eigelegen, müssen den Weg zum Indischen Ozean finden. Die junge Filmemacherin zeigt: Weil eine nahe gelegene Fabrik Lichtsignale sendet, laufen die jungen Tiere in die falsche Richtung. Es wäre ihr sicherer Tod. Kinder, Frauen und Tierschützer sammeln sie ein und lassen sie ins Meer. Ein Tier von Eintausend wird wiederkommen und neue Eier ablegen – die übrigen fallen der Jagd und natürlichen Feinden zum Opfer. Banerji zeigt ihren Film bei Festivals, geht in Dörfer und Schulen, um über Arten der Wilderei aufzuklären.

„Naturfilme, wie sie der Markt verlangt, sind eine gehobene Art der Unterhaltung“

„Augenöffnende Filme“ von fünf Tierfilmern hat Werner Schuessler (Buch, Regie und Kamera) für „Passion for Planet“ binnen sieben Jahren zu einem filmischen Meisterwerk gefügt. Seine Botschaft: Die frühere Intention, Naturphänomene zu zeigen, ist der dringenden Aufgabe gewichen, jenseits von Romantik und Verklärung die Zerstörung der Ressourcen zu filmen. Es geht nicht mehr darum, „Hochglanz-Tierfilme“zu drehen, es geht darum zu zeigen, „dass die Menschen begreifen, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen“, sagt Schuessler.

Doch für Dokumentaristen mit ethischem Anspruch haben sich die Bedingungen nicht verbessert. „Mir reicht’s, ich verlasse das Filmbusiness“, bekennt Mark Shelley. Als Grund für seinen Ausstieg nennt der Amerikaner das Problem der Finanzierung: „Meine Filme haben Unterhaltungswert, aber Geld für ihre Produktion zu sammeln, wird immer schwieriger.“ Shelleys Bildsequenzen über die Aufzucht und Auswilderung von Seeottern gehen ans Herz, auch der optischen Besonderheit der Tiere wegen.

Doch nach Jahrzehnten Tierfilmerei steckt Shelley auch in einem persönlichen Dilemma: „Man hilft den Tieren, indem man ein Bewusstsein für ihre Situation schafft. Aber man schadet ihnen, indem man ihren Standort preisgibt“. Probleme bereitet seinem Kollegen Werner Schuessler, wenn er für drei Stunden Helikopterflug 600 Liter Kerosin verbraucht. Heiligt der Zweck tatsächlich die Mittel? „Naturfilme, wie sie der Markt verlangt, sind eine gehobene Art der Unterhaltung“, sagt der österreichische Filmemacher Michael Schlammberger.

Empathie wecken, Zusammenhänge erklären, Türen einrennen

Es gruselt tatsächlich schön, wenn Rob Stewart, der 2007 mit dem Film „Wie Haie sterben – Sharkwater“ Aufsehen erregte, mit den als Bestien verschrienen Tieren um die Wette schwimmt. „Durch Unachtsamkeit werden pro Jahr fünf Menschen durch Haie getötet, durch Hunger sterben 8 Millionen“, sagt er. Stewart bekennt, Haie zu lieben und erinnert an deren Funktion in den Meeren: „Haie kontrollieren die Population der Tiere, die Phytoplankton fressen – Phytoplankton ist für die Produktion von 70 Prozent des Sauerstoffs auf der Erde verantwortlich.“

Empathie wecken, Zusammenhänge erklären, Türen einrennen, Mauern einreißen, alte Denkmuster bekämpfen: Die Botschaft des Filmes ist klar. An deren Umsetzung – einer radikalen Änderung unseres Lebensstils – wird es weiter hapern. Denn die von Rob Stewart beschworene „Revolution“ („Filme verändern die Welt!“) wird nicht stattfinden. Trotzdem: Unbedingt anschauen, am besten mit der ganzen Familie!

O. A., in Stuttgart im Kino EM