Bundestrainer Joachim Löw nimmt Kurs auf die EM in Frankreich – mit Thomas Schneider als Co-Trainer und Bastian Schweinsteiger als Kapitän. Beide sind zunächst bis 2016 im Amt – so lange dauert auch Löws Vertrag.

Düsseldorf - Zwei Mann, zwei Szenen. Die eine datiert vom 13. Juli 2014: WM-Finale, Maracana-Stadion, Rio. Bastian Schweinsteiger, getreten, geschlagen und geschunden von zunehmend verzweifelten Argentiniern, schleppt sich mit blutendem Gesicht und letzter Kraft über den Rasen, ein Vorbild an Wille und Kampfgeist. Die andere Szene, vom 9. März 2014, Mercedesstraße, Stuttgart: Thomas Schneider, enttäuscht und leer, fährt als gescheiterter VfB-Trainer vom Hof.

Zwei Bilder, die im Gedächtnis haften bleiben: zwei Mann am Tiefpunkt, der eine körperlich, der andere mental. Und zwei Bilder, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – wäre da nicht Joachim Löw. Am Dienstag hat der Bundestrainer sie zusammengefügt, indem er beide zum neuen Führungspersonal der Nationalmannschaft beförderte. Schweinsteiger, der an jenem 13. Juli für seine Leiden umgehend mit dem Weltpokal entlohnt wurde, steigt zum Kapitän auf und löst den zurückgetretenen Philipp Lahm ab, dessen Stellvertreter er bisher war. Bei Schneider hat es länger gedauert, bis ihm wieder die Sonne das Herz wärmt – dafür scheint sie nun umso kräftiger: Der Ex-VfB-Profi kehrt aus der Arbeitslosigkeit ins Rampenlicht zurück – im Oktober wird er Löws Co-Trainer und Nachfolger von Hansi Flick, dem neuen Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Das kommt überraschend – und doch nicht. Als Profi hat Schneider beim VfB selbst unter Löw trainiert, seither haben sich die beiden nie aus den Augen verloren. „Schon damals habe ich gemerkt, dass wir sehr ähnlich über den Fußball denken“, sagt Schneider. Das gab jetzt auch für Löw den Ausschlag. „Thomas passt sehr gut zu uns. Von seinen menschlichen Qualitäten und seinen Fähigkeiten als Trainer bin ich zu 100 Prozent überzeugt“, sagt der Freiburger, „er hat eine sehr gute Trainerausbildung genossen und mit der U 17 des VfB sehr gute Arbeit geleistet.“ Schneider soll, wie zuvor Flick, „ein wichtiger Ansprechpartner für die Spieler und für mich sein, er soll selbstständig Trainingsabschnitte leiten, Spieler beobachten und mich beraten“, umreißt Löw die Anforderungen. Verstärkt soll er die jungen, nachdrängenden Spieler „in die Mannschaft integrieren“.

Dass sich Löw für Bastian Schweinsteiger als neuen Kapitän entschieden hat, ist ein logischer Schritt – und doch kommt er ein wenig überraschend. Sportlich und menschlich ist der Mittelfeldspieler über jeden Zweifel erhaben, doch seine hohe Verletzungsanfälligkeit hat ihn schon in den vergangenen Jahren zum Gelegenheitsarbeiter reduziert. Von den zwölf Freundschaftsspielen zwischen der EM 2012 und der WM 2014 stand Schweinsteiger nur in zweien auf dem Platz – und das zweite war der 6:1-Sieg über Armenien unmittelbar vor dem Abflug nach Brasilien. In der WM-Qualifikation bestritt er nur fünf der zehn Spiele. Schon bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine war der „emotionale Leader“ der Mannschaft nicht fit. Löw schleppte ihn dennoch durchs Turnier – wie bei der WM 2014 durch die Vorrunde. Erst in der K.-o.-Phase wurde Schweinsteiger stärker – im Finale lieferte er dann sein (Welt-)Meisterstück ab. „Bastian ist der legitime Nachfolger von Philipp Lahm. Wenn es in den vergangenen Jahren darauf ankam, hat er immer große Verantwortung übernommen. Schauen Sie sich nur das Bild vom Finale an, was er da geleistet hat“, sagt Löw über den 108-maligen Nationalspieler, der auch jetzt wieder verletzt ausfällt. Erneut aufgetretene Patellasehnen-Probleme am linken Knie verhindern seinen Einsatz bei der Neuauflage des WM-Finales gegen Argentinien an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) in Düsseldorf und beim ersten EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland an diesem Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund.

Einen offiziellen Vizekapitän gibt es zunächst nicht. Manuel Neuer, Sami Khedira, Mats Hummels und Thomas Müller bilden den neuen Mannschaftsrat. Kurzfristig springt einer dieser Spieler als Kapitän ein, wenn Schweinsteiger ausfällt. Gegen Argentinien trägt Neuer die Kapitänsbinde.