Fast zweieinhalb Stunden nahm sich Nancy Faeser für die Befragung im Innenausschuss. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Bundesinnenministerin Nancy Faeser muss sich in der Causa Schönbohm dem Innenausschuss stellen. Dabei ist sie doch eigentlich gerade im Wahlkampf in Hessen. Porträt einer Politikerin, die in einer Doppelrolle steckt.

Erstmal ein paar Umarmungen. Als Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch in den Plenarsaal des Bundestages kommt, drückt die Bundesinnenministerin ein paar ihrer Kollegen auf der Regierungsbank zur Begrüßung. Sie schüttelt Hände. Dreht sich nach hinten um, sie grüßt, sie lächelt breit. Sie ist hier, um in einer Fragestunde aufzutreten, dabei wird es immer wieder um ein unbequemes Thema gehen: ihre Migrationspolitik. Dennoch sieht Faeser gelassen aus. Wie schwierig ihre Lage ist, sieht man ihr nicht an.

Wenn Faeser in diesen Tagen auftritt, dann hat sie immer zwei Rollen. Sie ist Bundespolitikerin, Innenministerin, zuständig für Migration, Rechtsextremismus, Geheimdienste, Krisenprävention – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und dann ist da noch ihre andere Aufgabe: der Wahlkampf. Nancy Faeser tritt als Spitzenkandidatin für die SPD in Hessen an. Sie kämpft darum, Ministerpräsidentin zu werden. Doch aktuell liegt die SPD in Umfragen bei 19 Prozent, zehn Prozentpunkte hinter der CDU.

Zwischen Land und Bund

Nancy Faeser hat oft erklärt, die beiden Rollen klar auseinanderzuhalten. Aber so einfach ist das nicht. Wer sich überlegt, ob er Nancy Faeser zur Landeschefin wählen will, schaut natürlich auch darauf, wie sich diese Frau in ihrem aktuellen Hauptberuf als Bundesinnenministerin schlägt. Das dürfte Faeser klar sein. Und ihren Gegnern auch.

Deshalb ist gerade alles, was im bundespolitischen Berlin um Faeser passiert, auch für die Landtagswahl in Hessen von Bedeutung. Die Migrationspolitik, die Razzia gegen eine Neonazi-Gruppe. Aber vor allem: die Causa Schönbohm.

Causa Schönbohm

Die Schönbohm-Affäre begleitet Faeser seit fast einem Jahr. Im Oktober 2022 strahlte das ZDF-Sendung eine Folge der Sendung „Magazin Royale“ aus, in der sich der Moderator und Satiriker Jan Böhmermann mit Arne Schönbohm auseinandersetzte. Schönbohm war zu diesem Zeitpunkt Leiter des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Böhmermann behauptete nun, Schönbohm habe Verbindungen zu einer russlandnahen Firma. Kurze Zeit später setzte Faeser ihn ab. Das Problem an Faesers Entscheidung: Letztlich konnte man Schönbohm die Russlandnähe nicht wirklich nachweisen.

Dass das Thema gerade jetzt hochkommt, liegt an der Union im Bundestag, die das Thema vor zwei Wochen auf die Tagesordnung des Innenausschusses setzte. Die Fraktion streitet natürlich ab, dass es sich um ein Wahlkampfmanöver handelt – das kann man glauben oder nicht. Zumal Faeser seit Oktober vier Mal im Innenausschuss war, wie eine Sprecherin des Innenministeriums auf Anfrage mitteilte. Dabei sei sie nie auf Schönbohm angesprochen worden.

Zwei Einladungen, zwei Absagen

Anfang September sollte sich Faeser dann aber zu dem Thema äußern. Doch die Ministerin sagte ab – und zwar nicht nur einen, sondern sogar zwei Termine, zu denen sie geladen wurde. Dafür wurde sie von vielen Seiten kritisiert. Sie sah in diesem Moment wie eine Ministerin aus, die womöglich etwas zu verbergen hat.

An diesem Mittwochvormittag kam Faeser dann doch zur Befragung in den Ausschuss. Teilnehmende der Sitzung berichten, dass sie fast zweieinhalb Stunden da gewesen sei. In dieser Zeit habe sie erklärt, dass es schon vor Ausstrahlung der Böhmermann-Sendung Zweifel an Schönbohm gegeben habe, vor allem von fachlicher Seite. Das – und nicht die vermeintliche Russlandnähe – sei der Grund für die Entlassung gewesen.

Haldenwang kam auch

Bemerkenswert ist, dass die Ministerin nicht allein in die Sitzung kam. Wie mehrere Teilnehmende berichten, wurde Faeser von Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang begleitet – wohl auch, um den Vorwurf auszuräumen, dass die Innenministerin den Verfassungsschutz für die Absetzung Schönbohms instrumentalisiert habe, wie ihr in einem Bericht der „Bild“-Zeitung vorgeworfen war. Haldenwang habe Faesers Darstellung bestätigt, dass die Abfrage bei der Behörde ganz regulär im Rahmen des Disziplinarverfahrens gegen Schönbohm erfolgt sei.

Und Faeser scheint verstanden zu haben, dass es nicht gut aussah, als sie nicht in den Ausschusssitzungen erschien. Für die kommende Woche hat sie sich gleich wieder angekündigt. Dann soll es aber um allgemeine Themen gehen. Ob sie das auch machen würde, wenn gerade nicht Wahlkampf wäre, darüber lässt sich wohl nur spekulieren.