Erste Anprobe: Judith Willsau prüft, wie Birgit Kuschs Mieder sitzt. Foto: Gottfried Stoppel

Bei einem Workshop der Volkshochschule Unteres Remstal zeigt die Münchnerin Judith Willsau den Teilnehmerinnen, worauf es beim Nähen eines Dirndlkleids ankommt.

Fellbach - Ist das Froschgoscherl gelungen? Judith Willsau macht den Test. Sie nimmt ein kunstvoll in viele Falten gelegtes geblümtes Stoffband in die Hand und bohrt ihren Zeigefinger in eine der Schlaufen. Eine rundliche Öffnung bildet sich aus, die an ein Froschmaul erinnert. Gut so! Falte für Falte entsteht so eine Rüsche, genauer: eine Froschgoscherlrüsche. Die hat nicht nur das Zeug zum Zungenbrecher, sondern peppt als ein am Ausschnitt befestigtes Zierelement jedes Dirndl auf.

„Das ist Fleißarbeit“, sagt Judith Willsau. Lange Zeit hat sie bei dem Modelabel Escada gearbeitet, vor rund sieben Jahren eröffnete sie ihr eigenes Atelier in München und gibt seitdem Nähkurse für alle, die ihre Kleider nicht von der Stange kaufen und wissen wollen, wie man Kellerfalten näht und Kleider füttert. Irgendwann tauchte eine Teilnehmerin auf, die ein Dirndl nähen wollte. Kein Problem für Willsau: „Mit Abendkleidern kannte ich mich gut aus, und ein Dirndl ist nicht viel anders.“ Inzwischen bietet Judith Willsau auch spezielle Dirndl-Nähkurse an. Und da die Fans dieser Kleider nicht nur in Bayern leben, hat die Volkshochschule Unteres Remstal die Modelldirektrice als Dozentin für einen Dirndl-Workshop in Fellbach engagiert. Das Motto: In drei Tagen zum Traumdirndl.

Dirndl am Chiemsee sind teuer

Nach einem solchen sehnt sich Christine Rincker schon lange. „Ich wollte immer ein Dirndl haben und habe bei Urlauben am Chiemsee in den Läden gespickelt“, sagt die Schwaikheimerin, die sich zwar für das ein oder andere Modell erwärmen konnte, aber vom Preis abgeschreckt wurde. Nun werkelt sie an einer Paspel aus geblümtem Stoff, die das schlichte graue Mieder ihres künftigen Traumdirndls zieren soll und sagt: „Die Stoffauswahl war nicht einfach.“

Und doch ist sie nur der Anfang, denn auf dem Weg zum Dirndl nach Maß müssen noch eine Menge weiterer Entscheidungen gefällt werden: Soll der Ausschnitt rund, herzförmig oder eckig, weit oder hoch sein? Schlängelt sich an ihm eine Zickzack-, eine Herzerl- oder Froschgoscherlrüsche entlang? Und wo endet der Rocksaum?

Birgit Kusch hat auf diese Fragen schon Antworten gefunden. Sie probiert gerade ihr bereits gefüttertes, weinrotes Mieder mit üppigen Blumenranken an, wirft einen Blick auf das Stoffstück, das sie noch zu einem passenden Rock verarbeiten muss, und seufzt: „Wenn’s nur schon fertig wäre.“ Judith Willsau schaut sich das Oberteil genau an, zupft mal hier, mal da und nickt dann zufrieden. Das Mieder sitzt gut und wirft keine Falte. Birgit Kuschs erstes Dirndl ist auf dem besten Weg zum Traumdirndl. „Eigentlich wollte ich ja gar keines“, verrät die Schorndorferin, „aber ich habe immer gesagt: Wenn schon ein Dirndl, dann müsste es ein ganz besonderes sein – und die kann ich mir nicht leisten.“

Der Kurs ist wie Therapie

Dank Judith Willsaus Hilfe geht es nun aber doch. „Es ist machbar“, versichert Birgit Kusch, die von sich sagt, sie sei keine sehr erfahrene Näherin. Das einzigartige Trachtenkleid rückt Stich für Stich näher – und Birgit Kusch ist gespannt, was die Verwandtschaft in Österreich dazu sagen wird.

Carmen Burke weiß genau, wann sie ihr elegantes dunkelblaues Modell zum ersten Mal anziehen wird. „Ich bin zu einem Dirndl-Brunch eingeladen“, erzählt sie, die eigentlich ein schwarzes Dirndl schneidern wollte, aber angesichts des Termins zur Sommerzeit auf ein luftigeres Stöffchen umgeschwenkt ist. Das Schwarze komme halt beim nächsten Mal, sagt sie und lacht.

Judith Willsau, in deren Schrank etwa zehn selbst geschneiderte Dirndl hängen, nickt zustimmend und sagt, auf das erste folge meist ein weiteres. „Aber viele kommen nicht nur wegen des Nähens in meine Kurse, sondern weil immer gute Stimmung herrscht . Das ist fast wie eine Therapie.“