Red Bull setzt mit seiner Fußball- und Eishockey-Akademie meue Maßstäbe Foto: Red Bull

Perfekt soll er sein, der Fußball Marke Red Bull. Perfekt, fehlerfrei und schnell. Um die besten Sportler und Markenbotschafter der Zukunft zu formen, hat das österreichische Milliardenimperium das wohl modernste Nachwuchsleistungszentrum der Welt entwickelt.

Salzburg - Tradition trifft auf Moderne. Hier, am rechten Ufer der Salzach am Stadtrand von Salzburg, könnten die Gegensätze kaum größer sein. Neben einem rustikalen Schießsportzentrum aus den 70ern, wo Schweinebraten mit Knödeln serviert werden und die Halbe Bier noch für 2,70 Euro zu haben ist, beginnt die Zukunft. Weltraumgroß hat Red Bull hier seine Nachwuchsakademie hingeklotzt. Sieben Fußballplätze mit Rasenheizung, zwei Eishallen, Krafträume, Motorikpark, Turnhalle, Ärztezentrum, Erholungsbäder und, und, und.

100 000 Quadratmeter groß, 50 Millionen Euro schwer. Willkommen in der Fußballwelt des österreichischen Milliardenimperiums – willkommen in der Fußballwelt von morgen!

„Der FC Bayern war auch schon da. Mal schauen, ob sie so was auch hinkriegen“, sagt Ernst Tanner mit einem Lächeln. „Kopieren können sie uns nicht.“ Der Bayer, früher bei 1860 München und 1899 Hoffenheim als Manager tätig, hat nun beim Brauseriesen aus Salzburg angeheuert. Tanner ist für den kickenden Nachwuchs in Red Bulls Fußball- und Eishockeywelt zuständig, die Bundesliga vermisst er kein bisschen. Unter seinen Fittichen befinden sich Talente von der U 7 bis zur U 18. 150 Jugendliche wohnen und trainieren permanent auf der Anlage, an Partnerschulen erhalten sie Unterricht. Insgesamt 400 kommen täglich zum Training. So weit, so gewöhnlich. In der Fußball-Bundesliga unterhält mittlerweile fast jeder Club ein Nachwuchszentrum. Doch Red Bull wäre nicht Red Bull, würde der Konzern nicht auch hier neue Maßstäbe setzen.

Herzstück der Fußball-Akademie ist der bewässerbare Indoor-Kunstrasenplatz. Unter dem Hallendach fangen zwölf Positionskameras jede Bewegung der Spieler und, was noch wichtiger ist, des Balles, ein. Darin befindet sich ein Chip; die Spieler werden per Transponder im Leibchen getrackt, also in Echtzeit auf ihr gerade Geleistetes gecheckt. Dabei geht es nicht nur um so banale Dinge wie Laufleistung und gewonnene Zweikämpfe. Per Positionsdatenanalyse wird das Spiel in allen Dimensionen ausgeleuchtet: Kompaktheit der Abwehrkette, Abstand zum Ball, Richtung der Pässe.

Auch die körperlichen Belastungen der Akteure werden erfasst. Das Labor grenzt an die Bande. Ziel des Ganzen: ein Fußball-Spiel objektiv zu bewerten. Wissenschaft statt Bauchgefühl. Letzteres täusche oft, sagt Tanner. Typische Trainersätze auf Pressekonferenzen wie „Ich finde, meine Mannschaft hat das ganz ordentlich gemacht“, wird es dann nicht mehr geben. „Das Interessante ist: Man stößt auf Beobachtungen und Widersprüche, auf die man vorher gar nicht gekommen wäre“, beschreibt Tanner die Grundlagenforschung. Nichts soll mehr dem Zufall überlassen werden.

Die Wesensmerkmale des Spiels: Beschleunigung, Kraft, Ausdauer

Perfekt soll er sein, der Fußball Marke Red Bull. Perfekt, fehlerfrei und schnell. Das, was das Spiel eigentlich ausmacht – das Wilde, das Unvorhersehbare –, wirkt in der klinisch reinen Lehre von RB wie ein Virus, das es zu bekämpfen gilt. „Der Fußball ist rasanter und aggressiver, als er noch vor einigen Jahren gespielt wurde“, beschreibt U-15-Coach Alexander Zickler den Hochgeschwindigkeitsfußball, der sich durch extrem hohes Pressen und Gegenpressen auszeichnet – im Prinzip derselbe Stil, den RB-Zögling Alexander Zorniger gerade auch den Profis des VfB Stuttgart einzuimpfen versucht.

In Salzburg werden den jungen Zuchtbullen schon im Kindesalter die Wesensmerkmale des Spiels nahegebracht: Beschleunigung, Kraft, Ausdauer. Die Nachwuchsmannschaften treten meist gegen ein Jahr ältere Gegner an. „Unsere Jungs aus der U 18/U 19 laufen so viel wie gestandene Bundesligaprofis, nur in der Dynamik gibt es noch Unterschiede“, erzählt Ernst Tanner. Kleine, kräftige Pressingmaschinen, die im Schwarm Jagd auf Ball und Gegner machen.

„Leistung ist planbar“, sagt Ralf Rangnick, Spiritus Rector der Red Bull’schen Sportwelt. Der frühere VfB- und jetzige Trainer von RB Leipzig legt zugleich Wert darauf, dass immer noch die Menschen entscheidend seien. Natürlich lassen sich aus den Leibern der jungen Menschen mit der richtigen Methodik die letzten paar Prozent des physisch Möglichen herauskitzeln. Der Rest ist aber immer noch Kopfsache.

Auch im mentalen Bereich überlässt der Getränkeriese, der inzwischen zum multimedialen Sport- und Unterhaltungskonzern aufgestiegen ist, nichts dem Zufall. Die Akademie-Zimmer sind einheitlich in Gelb gehalten – die Farbe soll beruhigend wirken und die Regeneration fördern. Niemand soll überfordert werden – aber auch nicht unterfordert. Dies könnte die mentale Belastbarkeit eines Spielers aus der Balance bringen.

„Fußball wird noch immer maßgeblich im Kopf entschieden“, sagt Tanner und führt den Besucher stolz zum Rapid Eye Movement Tracker. Eine Art weiterentwickelter Sehtest und nur eines von vielen Gadgets, auf die sie hier in Salzburg die Exklusivrechte halten. Der Tracker trainiert das periphere Sehen, was vor allem für Torhüter wichtig ist, die totale Konzentration aufs Wesentliche: den Ball. Stolz verweisen sie in der Akademie auf die stoische Abgeklärtheit, mit der ihre Schlussmänner die Fünfmeterräume beherrschen.

Leipzig zieht mit Salzburg nach

Überhaupt beherrschen die Jugendmannschaften mit dem Bullen auf der Brust die Konkurrenz in Österreich nach Belieben. Wer für die U 18 zu alt ist, aber noch nicht gut genug für die österreichische Bundesliga oder die zweite Liga in Deutschland, kickt für den RB-Ableger FC Liefering. Da in Österreichs Profiligen keine zweiten Mannschaften erlaubt sind, verleibte sich Red Bull den Salzburger Vorortclub ein. Dort bereiten sich auch viele Talente aus der brasilianischen Akademie auf den großen Sprung vor.

Dass diesem zumindest in Österreich enge Grenzen gesetzt sind, musste die Profitruppe von RB Salzburg erst jetzt wieder erfahren. Bereits zum achten Mal scheiterte der österreichische Meister in der Qualifikation zur Gruppenphase der Champions League.

Kein Ruhmesblatt, doch die Macher von morgen nehmen’s gelassen. Erstens, weil sie ihr Projekt erst am Anfang sehen. Und zweitens, weil sie genau wissen, dass im Red-Bull-Mutterland die Bäume nicht in den Himmel wachsen können. „Was muss ich tun, um die Champions League zu gewinnen?“, fragte Firmenchef Dietrich Mateschitz einmal Karl-Heinz Rummenigge. Nach Deutschland gehen, antwortete der Bayern-Boss. Mit Leipzig ist Red Bull schon in der zweiten Liga angekommen, die freilich nur Zwischenstation sein soll auf dem Weg nach ganz oben. Nächsten Sommer entsteht eine Nachwuchs-Akademie im Stile Salzburgs, nur ohne Eishockey.

Der Puck-Sport läuft auch in der österreichischen Hauptzentrale ein bisschen nebenher. Es reicht aber immer noch locker, um die heimische Liga zu dominieren. Der Fokus liegt auf dem Fußball, ein Austausch findet nur am Rande statt.

Mateschitz bastelt sich seine eigene Sportwelt. Der reichste Österreicher hat Snowboarder, Basejumper und Kunstflugpiloten groß gemacht. Annähernd 1000 Athleten tragen das Firmenlogo in die Welt, mehr als eine Milliarde Euro pumpt Red Bull jährlich in sein Marketing. Damit ist der Konzern bislang mehr als gut gefahren, weshalb sich die Frage aufdrängt, warum er nun sein Glück ausgerechnet im Fußball zu vermehren gedenkt.

Schlechtes Image nur ein deutsches Problem

Eine Sportart, die mit ihren Aushängeschildern Real Madrid, Manchester United, Bayern München und neureichen Scheichclubs wie Paris St. Germain längst als erobert gilt. Und in der man – siehe Leipzig – Gefahr läuft, für sein Produkt mehr Negativwerbung zu machen.

Tanner winkt ab. Eigentlich reden sie bei Red Bull nicht über dieses Thema. Nur so viel lässt er sich entlocken: Das Image sei ein rein deutsches Problem. „Ich kenne das ja aus Hoffenheim. Leipzig hat diese Rolle nahtlos übernommen, aber auch das wird vorüberziehen“, glaubt der Bayer. Was die grundsätzlichen Beweggründe für den Einstieg in den Fußball angeht, muss Tanner nicht lange überlegen. „Fußball ist eben die weltweit populärste Sportart.“

Die sich nicht neu erfinden lässt. Aber die Produktionsbedingungen verbessern, das geht. Tanner selbst spricht von einer Football-Factory, einer Fußball-Fabrik. Hier wird geforscht, geformt, entwickelt – und am Ende produziert wie am Fließband. Nur das Wort züchten, das hören sie nicht so gerne.

„Herr Mateschitz will jungen Leuten eine Top-Ausbildung ermöglichen“ , formuliert Ralf Rangnick die Beweggründe des Chefs. Dazu gehört auch richtiges Benehmen. Als die U 15 rein zufällig den Weg der Besuchergruppe kreuzt, wird ausnahmslos jedem die Hand geschüttelt. Das Zeremoniell erscheint ein bisschen zu viel des Guten, aber so ist das eben bei Red Bull: Was man macht – man macht es richtig.