Im Musikpavillon ist ausgiebig getanzt worden. Foto: Lichtgut/Zophia Ewska

Das Nachtsicht-Festival hat am Samstag rund um den Schlossplatz Kunst, Musik, Performance, Workshops und Kulinarik gratis geboten.

Sie trotzen den Wolkenbrüchen zuvor. Die Besucherinnen und Besucher, die langsam im Garten hinter dem Stadtpalais eintrudeln, sind bestens drauf. Mit Drinks in der Hand lassen sie sich auf den blauen Betonringen nieder, die da unter dem Motto „Stuttgart Springs“ vom Studio Umschichten aufgebaut wurden – an Stuttgarts viele Mineralquelltöpfe gemahnend. Darauf wird gechillt und gewippt zum Groove-Mix aus Latin, Soul und Funk von DJ Sianza. Andere haben die Tischtennisplatte unter der Eingangsbrücke in Beschlag genommen oder versuchen beim „Cornhole“ Wurfsäcke im Loch einer schrägen Plattform zu platzieren.

Installation aus Baumarkt-Materialien

Das Musik- und Tanz-Set mit Crianza bildet den Abschluss des Nachtsicht Festivals, das an diesem Samstag an sechs Orten rund um den Schlossplatz Kunst, Musik, Performance, Workshops und Kulinarik gratis – dank Förderungen – bot.

Den Auftakt machte am Vormittag die französische Künstlerin Victoire Gonzales mit ihrer Sonnensegel-Installation aus Baumarktmaterialien auf der Terrasse des Württembergischen Kunstvereins (WKV), gefolgt von Dua Look im Musikpavillon am Schlossplatz: Die Stuttgarter Drag Queen lockte mit Queerobic. Über ein Dutzend Frauen und Männer stiegen in den Bellevedere-Ring zur Tanzfitness, schwangen Hüften und Beine im Zumba zu Hip-Hop-Klängen und Afrobeats. Manche davon pilgerten danach zur L-Bank, wo das Kunstkollektiv Lucky You Studios zur „Kantine“ lud, einem Mittagstisch unter anderem aus essbaren Skulpturen, die Freude des Teilens zelebrierend.

Exkursion zu den Brennpunkten

Andere Aspekte der Landeshauptstadt waren nachmittags bei Stadtspaziergängen zu entdecken, von der Reisezentrale aus, der Infozentrale des Nachtsicht Festivals auf dem Schlossplatz. Während Thomas Schuler vom Straßenmagazin Trottwar zum Stuttgart der Brennnpunkte jenseits von schnieke und teuer führte, ging es mit dem Nabu um „Stadtökologie zum Anfassen“.

Derweil lud Rosi Grillmair 10- bis 14-Jährige zum Creative Coding Workshop im WKV, dann war kollektives Ruhen im Hotel am Schlossgarten angesagt, genauer in einem abgedunkelten Raum über dem Studio Amore. Über 60 Zuschauende machten es sich auf Fauteuilles, Sitzsäcken, Kissen und Decken bequem und wurden so Teil des Bühnenbilds, in dessen Mitte auf einem von Leuchtröhren eingerahmten Karree der Choreograf Max Levy mit der Tänzerin Stella Covi bedächtig das Gleichgewicht der Körper erforschte. Ihre parallelen und gegenläufigen Positionen, Balancen und Hebungen zu meditativen Klängen schienen Zeit und Raum aufzuheben.

Inspiration für Oma und Enkelkinder

Die Grenzen zu den Königstraße-Flaneuren verschwanden auch bei den Konzerten im Musikpavillon: Nasir the Artist bot gefühlvollen Neosoul, während Rea mit Obertönen und Stimmexperimenten in andere Sphären entführte. „Super Inspirationen“, meinte eine Frau, die mit ihren Enkelkindern das Nachtsicht-Nachmittagsprogramm mitnahm, unter anderem die Führungen. Sie erhielt so manche Zustimmung. Das dürfte das Kuratorinnenteam – Nachtsicht Kollektiv Hannah Bickhoff, Christine Koschel, Sophia Sadzakov und Hannah Liya – freuen. „Wir wollten etwas für alle Generationen machen“, so Sadzakov. „Ein Festival für die Stadtgesellschaft und alle ihre Facetten.“