Meinhard M. Tenné und seine Frau Inge (links) im Stuttgarter Lehrhaus. Foto: Peter Petsch

Die Trauer ist groß in der jüdischen Gemeinde: Meinhard Mordechai Tenné, Ehrenvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, ist tot. Er starb (wie bereits gemeldet) nach schwerer Krankheit im Alter von 92 Jahren während des jüdischen Laubhüttenfestes Sukkot.

Stuttgart - Meinhard Mordechai Tenné war der hoch angesehene Elder Statesman in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW). Eine Autorität, eine moralische Instanz. Sein Wort hatte Gewicht, seine Verdienste um Verständigung, Aussöhnung und die Integration der Zuwanderer aus den ehemaligen Gus-Staaten wiegen noch schwerer. Sein Leben, mutig, diszipliniert und kompromisslos aufrichtig, gilt als beispielhafte Biografie eines Zeitzeugen und Überlebenden des NS-Regimes. Unermüdlich kämpfte er gegen das Vergessen, legte Zeugnis ab und setzte sich für die Überwindung von Vorurteilen, für Verständnis und Toleranz ein. Sein Prinzip, „offen und ehrlich miteinander zu reden, nicht übereinander“ verwirklichte er im Stuttgarter Lehrhaus, das er zusammen mit Lisbeth und Karl-Hermann Blickle gegründet hatte. Als Forum für den interreligiösen Trialog zwischen Christen, Juden und Muslimen. „Er war einer der Ersten, die den interreligiösen Dialog in die Wege leiteten, würdigt Vorstandssprecherin Barbara Traub die Verdiente und betont, dass Tenné als Vorstandssprecher der Gemeinde wesentlich die Kontakte zu Gesellschaft und Medien vorangebracht habe. Geehrt wurde Tenné mit der Otto-Hirsch-Medaille, der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse und des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland.

Mutter und Schwester starben in Auschwitz

Tenné, am 26. Mai 1923 in Berlin geboren, entstammt einer jüdisch-orthodoxen Familie. „Uns meint man ja nicht“, glaubte der Vater, Soldat im Ersten Weltkrieg, der ein florierendes Schneider-Atelier führte, als Juden nach der Machtergreifung Hitlers 1933 zunehmend Ausgrenzung, Verfolgung und Rechtlosigkeit ausgesetzt waren. Bis der 9. November 1938, der Tag des großen Reichspogroms, das böse Erwachen brachte. Ein Kriegskamerad, mittlerweile Nazi mit Einfluss, hatte den Vater morgens gewarnt: Er solle mit seinem Sohn sofort Berlin verlassen. Ein Visum für die Schweiz erlaubte beiden die sofortige Abreise. Mutter und Schwester mussten zurückbleiben. Erst 1945 erfuhren Vater und Sohn, dass beide das KZ Auschwitz nicht überlebt hatten.

Nie hat Tenné diesen Schmerz überwunden, keine Zeit heilte diese Wunden. „Wie können Menschen einander das antun“, war die Frage, die in seiner Seele brannte. „Sie mögen uns nicht“, gab er sich selbst die pessimistische Antwort.

Über zehn Jahre Sprecher der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg

1949 ging Tenné nach Israel, schloss sich der Armee an und wurde 1958 in den Staatsdienst übernommen. Teddy Kollek, der spätere Bürgermeister von Jerusalem und sein Dienstherr, beauftragte ihn, zum zehnjährigen Bestehen des Staates für die Besucher aus aller Welt Unterkünfte zu schaffen. Und zwei Jahre später mit der Order, in der Schweiz den Tourismus nach Israel zu fördern. Er baute in Zürich das staatliche israelische Fremdenverkehrsbüro mit auf und eröffnete später das Büro in Frankfurt.

1970, mittlerweile aus dem Staatsdienst ausgeschieden und zum zweiten Mal verheiratet, lockten gute berufliche Angebote Tenné und seine Frau Inge nach Stuttgart, das ihm zur Heimat wurde. Nach den Söhnen Jacques und Amir wurde der dritte, Jan, hier geboren. Das Engagement in der jüdischen Gemeinde war ihm eine Selbstverständlichkeit gewesen. Von 1980 an repräsentierte er für mehr als ein Jahrzehnt die IRGW als Vorstandssprecher. Auch danach waren Engagement und Rat des Ehrenvorsitzenden unverzichtbar.

Gedenkfeier am 29. Oktober

Meinhard M. Tenné wurde am Mittwoch auf dem jüdischen Friedhof in Stuttgart-Steinhaldenfeld beerdigt. Eine Gedenkfeier findet am 29. Oktober in der IRGW statt.