Ein Geiselnehmer durchbricht in Hamburg mit dem Auto eine Schranke, Klimaaktivisten tummeln sich auf dem Rollfeld: Sind deutsche Flughäfen unsicher? Laut Experten gibt es große Unterschiede. So ist die Lage in Stuttgart.
Ein türkischer Vater aus Buxtehude nahm am vergangenen Wochenende seine vierjährige Tochter als Geisel, durchbrach eine Schranke zum Hamburger Flughafen, drang mit seinem Auto bis zu einer startbereiten Maschine der Fluggesellschaft Turkish Airlines vor und wollte mit dem Mädchen in die Türkei ausgeflogen werden. Wäre so ein Szenario auch am Stuttgarter Flughafen möglich?
Das sagt die Sprecherin des Stuttgarter Flughafens
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht – „aber größtmögliche“, sagt Beate Schleicher, Sprecherin des Stuttgarter Flughafens. Der Eindruck, der durch diverse Eindringlinge auf deutschen Rollfeldern gerade entstehen könne, täuscht ihrer Meinung nach: „Das ist nicht so einfach, wie es scheint.“ Gerade in Stuttgart müsste man schon hohe kriminelle Energie aufbringen, um einen Zwischenfall zu provozieren. Solche Vorkommnisse wie in Hamburg habe es hier noch nicht gegeben. „Wir tun auch alles dafür, dass das so bleibt. Sicherheit hat im Luftverkehr größte Priorität. Es gibt hohe nationale und internationale Vorgaben, die in Stuttgart alle sehr genau eingehalten werden“, so die Sprecherin. Zu detailliert wolle man sich aber nicht ins Konzept schauen lassen.
Das sagt der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei
Andreas Roßkopf, Vorsitzender der GdP und selbst bei der Bundespolizei, die für Absicherung von Flughäfen zuständig ist, übt generelle Kritik am Gesetzgeber: „Die meisten deutschen Flughäfen sind Teil der kritischen Infrastruktur.“ Sie seien dennoch sehr unterschiedlich geschützt. Hamburg sei jetzt alleine in diesem Jahr mit einem zweiten sicherheitsrelevanten Vorfall aufgefallen. Andere Flughäfen wie Frankfurt und München hingegen wiesen einen sehr hohen Sicherheitsstandard auf. „Wir brauchen deshalb einheitliche Sicherheitsstandards. Die Bundesregierung arbeitet zwar an einem Dachgesetz kritische Infrastruktur, die solche Standards beinhaltet. Aber das geht zu langsam, das muss jetzt umgesetzt werden!“
Ist Stuttgarts Flughafen Teil der kritischen Infrastruktur?
Ja, Stuttgarts Flughafen wird zur kritischen Infrastruktur gezählt. Das liegt einerseits am amerikanischen Militärteil des Flughafens, von dem aus das US-Militär vor allem logistisch seine Einsätze in Afrika aus versorgt. Zudem ist der Flughafen für das in Calw stationierte Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr der nächstgelegene Flughafen, von dem aus der Verband Soldaten und Ausrüstung verlegen kann. Zudem nimmt der Flughafen mit jährlich etwa sieben Millionen abgefertigten Fluggästen Platz sieben in Deutschland ein.
Was ist das Problem in Hamburg gewesen?
In Hamburg hat jetzt der Geiselnehmer eine Schranke mit seinem Auto durchbrochen, um auf das Flugfeld vorzudringen. Im Juli brauchten die Sicherheitskräfte etwa zwei Stunden, um zu wissen, wo und wie viele Klimaaktivisten auf das Flugfeld vordrangen, um sich dort festzukleben. „Das war in Düsseldorf anders“, sagt GdP-Mann Roßkopf. „Dort wusste die Flughafensicherheit innerhalb von Minuten, wie viele Aktivisten wo eindringen wollten, und konnte innerhalb von Minuten reagieren.“
Wie sieht es in Stuttgart aus?
Bundespolizist Roßkopf lobt den Stuttgarter Flughafenbetreiber: „Der stimmt sich regelmäßig mehrfach im Jahr mit der Bundespolizei über den Schutz des Flughafens und des Areals ab.“ Sogenannte Rolltore hindern statt einfacher Schranken an den Toren rund um das 395 Hektar große Gelände Menschen daran, unbefugt auf den Flughafen vorzudringen. Solche Öffnungen sind natürliche Schwachstellen eines zu sichernden Areals. Aber: Auch in Stuttgart ist die Sicherheit nach Meinung von am Flughafen beschäftigten Polizisten ausbaufähig. So seien hinter den Rolltoren im Boden versenkbare Hindernisse wünschenswert. Auch die Straßenführung an den Nebentoren in serpentinenartiger Weise sei mittlerweile in vielen zu sichernden Objekten Standard.
Kann ein Flughafen absolut sicher gemacht werden?
Nein. Flächen von 2160 Hektar wie in Frankfurt, 1618 Hektar in München, 1470 Hektar in Berlin oder eben 395 Hektar in Stuttgart können nicht absolut sicher gemacht werden. Zäune und Tore bieten Angreifern immer die Möglichkeit, in ein abgegrenztes Areal vorzudringen. Entscheidend ist, dass die Polizei so schnell als möglich auf so einen Versuch reagiert. „Ohne da ins Detail zu gehen ermöglicht moderne Sensorentechnik der Flughafensicherheit, bereits Eindringversuche frühzeitig zu erkennen und dann schnell zu reagieren“, macht GdP-Mann Roßkopf deutlich.
Wie sind Flughäfen gegen Drohnenangriffe geschützt?
Im Moment allenfalls rudimentär. Angriffen mit handelsüblichen, zu Waffenträgern umgebauten Drohnen haben die deutschen Flughäfen – aber auch die Polizei in den Ländern – so gut wie nichts entgegenzusetzen. Dabei setzen Soldaten in der Ukraine seit nunmehr fast zwei Jahren Fluggeräte gegen die russischen Invasoren ein, an die sie Hand- und Mörsergranaten oder selbstgebaute Sprengsätze hängen. „Diese Gefahr sehen wir als eine herausfordende“, sagt Bundespolizist Roßkopf. Und verweist einmal mehr auf das noch nicht verabschiedete Dachgesetz kritische Infrastruktur, in dem auch für die Abwehr von Drohnenangriffen Standards vorgeschrieben würden. „Dieses Gesetz muss schnell, sehr schnell kommen”, sagt der Polizeigewerkschaftler. Vor allem mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft im nächsten Jahr in Deutschland.