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Er schoss um sich, tötete 18 Menschen und flüchtete danach. Seitdem fehlt von dem Verdächtigen jede Spur. Im Gebiet rund um die zwei Tatorte im Nordosten der USA geht seither Angst um. Und die Fahndung nach dem mutmaßlichen Täter gestaltet sich schwierig.

Nach einem Massaker mit 18 Toten im US-Bundesstaat Maine sucht die Polizei weiter mit einem Großaufgebot nach dem Schützen. Die ländliche Gegend im Nordosten der USA mit Waldgebieten, Sümpfen und Flüssen erschwert Experten zufolge die Suche nach dem mutmaßlichen Täter - ebenso die Tatsache, dass der Mann sich in der Region gut auskennt und ein militärisches Training durchlaufen hat. Auch die US-Küstenwache fahndete nach dem 40 Jahre alten Verdächtigen, da eine Flucht per Boot nicht ausgeschlossen wurde. In der Region herrscht Ausnahmezustand. Die Polizei warnte Anwohner eindringlich vor dem Flüchtigen.

Die Tat

Der Schütze hatte am Mittwochabend in einem Freizeitzentrum mit Bowlingbahnen und in einem Grillrestaurant in der kleinen Stadt Lewiston das Feuer eröffnet. Am ersten Tatort tötete er sieben Menschen, am zweiten acht. Drei weitere Opfer starben kurz nach der Tat im Krankenhaus. Weitere 13 Menschen wurden verletzt. Das Motiv des Täters ist bislang unbekannt. Eine Überlebende, die ihre Schwester bei der Bluttat verloren hatte, sagte dem Sender CNN: „Wir waren beim Bowling und hörten einen großen Knall.“ Sie sei sich zunächst nicht sicher gewesen, was los war. Dann habe sie aber mehrere Schüsse gehört. „Ich rannte so weit wie ich konnte.“

Lewiston hat knapp 40 000 Einwohner und liegt in Maine, etwa 200 Kilometer nördlich von Boston an der Ostküste der USA. Die Stadt ist etwa 30 Autominuten von Bowdoin entfernt, dem Heimatort des Verdächtigen. Rund zehn Kilometer von Lewiston entfernt fand die Polizei das Auto des Gesuchten, einen weißen SUV.

Der Täter und sein mögliches Motiv

Die Polizei identifizierte den Reservesoldaten Robert C. als mutmaßlichen Täter. Nach Informationen der „Washington Post“ hatte er sich im Jahr 2002 zum Militärdienst gemeldet, aber keine Kampfeinsätze absolviert. Er habe Ingenieurtechnik studiert, allerdings keinen Abschluss gemacht. Die Zeitung berichtete außerdem, das Verhalten des Mannes sei Kollegen vor einigen Monaten seltsam vorgekommen. Er soll schließlich zwei Wochen in psychiatrischer Behandlung gewesen sein und sich Medienberichten zufolge eingebildet haben, Stimmen zu hören.

Berichten zufolge fanden die Ermittler eine Notiz im Haus des Mannes. Sie machten aber keine Angaben über deren Inhalt. Die Familie des Tatverdächtigen kooperiert mit der Polizei. Die Schwester des Mannes soll Ermittlern laut dem Sender ABC gesagt haben, sie glaube, dass ihr Bruder an den Tatorten nach seiner Ex-Freundin gesucht habe. Die beiden hätten sich häufig in dem Freizeitzentrum und dem Grillrestaurant aufgehalten.

Die Fahndung

Hunderte Polizeibeamte durchkämmten die Gegend auf der Suche nach dem Mann. Mit Informationen hielten sich die Behörden jedoch zurück - es drangen kaum Details an die Öffentlichkeit. Am Donnerstagabend (Ortszeit) waren zahlreiche Polizeiautos vor dem Haus des Verdächtigen in der Kleinstadt Bowdoin angerückt und Beamte durchkämmten mehrere Grundstücke. Die Suche dort blieb jedoch erfolglos. Auch die Küstenwache fahndete nach dem Schützen.

Die Suche gestaltet sich auch deshalb sehr schwierig, weil die dünn besiedelte Gegend waldreich und sumpfig ist. Der frühere FBI-Agent Rob D’Amico sagte am Freitag dem Sender CNN, der Flüchtige kenne sich als Einheimischer bestens im Wald aus, worauf die Polizei einen Großteil der Suche im Süden Maines konzentriere. Der Analyst Jonathan Wackrow sagte dem Sender, der Verdächtige habe zudem ausgeprägtes militärisches Training hinter sich und wisse, wie man unbemerkt bleibe. „All dies ist eine Herausforderung für die Sicherheitskräfte.“

Für die Bewohner der Region ist die Tatsache, dass der Täter weiter auf freiem Fuß ist, eine Belastung. Nach der Attacke hatte die Polizei die Menschen in mehreren Gemeinden in der Gegend aufgerufen, ihre Häuser nicht zu verlassen. Mehrere Schulen wurden vorübergehend geschlossen, auch Geschäfte blieben zu.

Debatte über Waffen

In den USA gehören Amokläufe und tödliche Schießereien auf traurige Weise zum Alltag. Schusswaffen sind dort leicht erhältlich und massenhaft im Umlauf. Regelmäßig erschüttern blutige Attacken mit vielen Opfern - etwa an Schulen, in Supermärkten, Nachtclubs und bei Großveranstaltungen - das Land. Dies führt immer wieder zu Diskussionen über eine Verschärfung des Waffenrechts, bislang jedoch ohne wirkliches Ergebnis. In der Regel scheitern strengere Waffengesetze an den Republikanern und der mächtigen Waffenlobby.

Im Bundesstaat Maine gibt es kein Gesetz, das es Strafverfolgungsbehörden erlauben würde, jemanden zu entwaffnen, der eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Maine gehört zu den kleineren Bundesstaaten: 1,3 Millionen Menschen leben dort auf einer Fläche von der Größe Ungarns. Große Attacken mit Schusswaffen kommen in Maine deutlich seltener vor als in anderen Landesteilen. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Gun Violence Archive war die Attacke in Lewiston im laufenden Jahr die Schusswaffenattacke mit den meisten Todesopfern in den USA.