Samuel de Andrade findet in seiner Wohnung keine Ruhe mehr. Foto: Gottfried Stoppel

Samuel de Andrade leidet unter einem nervtötenden Geräusch. Bisher konnte niemand herausfinden, woher der Brummton kommt. Der 78-Jährige ist verzweifelt.

Korb - Jeden Abend packt Samuel de Andrade seinen Koffer und fährt ins Hotel. Denn daheim findet er seit Wochen keinen Schlaf mehr. Und wenn, dann nur mithilfe von Tabletten. Der Grund sind mysteriöse Geräusche, die ihn seit Anfang Februar plagen. „Der Lärm hat zwei verschiedene Komponenten und ist unterschiedlich intensiv. Am schlimmsten ist es um Mitternacht herum“, erklärt der 78-Jährige. Das eine Geräusch sei ein metallisches Heulen, das andere eher ein dumpfes Dröhnen, das am ehesten an eine laufende Waschmaschine erinnere.

Alles abgeschaltet, aber das Geräusch bleibt

De Andrade und seine Lebenspartnerin Carole Beranek fahndeten zunächst in dem Mehrfamilienhaus nach der Quelle des Lärms. „Wir haben an einem Tag die Heizung, den Strom und die Wasserversorgung abgeschaltet und alles lahm gelegt. Aber die Geräusche waren immer noch da“, sagt der gebürtige Portugiese, der auch versucht hat, mit Ohrstöpseln oder Gehörschutz Ruhe zu finden. „Aber das sind Schallwellen, die durch Wände und Knochen gehen“, sagt Samuel de Andrade, der die Gemeinde informierte. Ein Mitarbeiter des Landratsamtes kam zwar prompt vorbei, „aber da waren die Geräusche kaum zu hören.“

Zumal de Andrade sowieso die Erfahrung gemacht hat, dass manche Menschen das Brummen und Heulen wahrnehmen und andere nicht. „Am Wochenende war eine Bekannte zu Besuch, der wir nichts erzählt hatten. Nach einer Weile hat sie gefragt, was denn das für ein Lärm sei“, erzählt de Andrade. Für ihn ist das beruhigend: „Am Anfang war meine größte Angst, dass die Geräusche nur in meinem Kopf sind“, sagt er. Seine Partnerin ist auf einem Ohr taub und zudem von einem Tinnitus geplagt: „Ich höre das Geräusch nur nachts, wenn ich aufwache“, erzählt Carole Beranek. Auch ihr Sohn in der benachbarten Wohnung bemerke den Lärm nur nachts.

Vor einigen Wochen hat er eine Anzeige im Korber Mitteilungsblatt geschaltet, um nach weiteren Lärmgeplagten in der Gemeinde zu suchen. Und tatsächlich: einige Betroffene meldeten sich bei ihm. Zwei davon aus Kleinheppach, eine Frau, die im Industriegebiet wohnt. „Damit ist auch klar, dass es keine Luftwärmepumpe in der Nachbarschaft sein kann“, sagt de Andrade, der in einer ganz anderen Ecke wohnt. Viel weiter ist er bei seiner Recherche allerdings nicht gekommen. Er hat Zeitungsartikel über mysteriöse Brummtöne in Leinfelden-Echterdingen gefunden, die von der Beschreibung her genau zu seinen Wahrnehmungen passen. Allerdings ist auch dort, trotz erfolgreicher Messungen, nicht bekannt, woher die Geräusche kommen.

Landratsamt will nochmal messen

Mit dem Landratsamt hat de Andrade verabredet, dass noch einmal jemand vorbeikommt. Viel Hoffnung kann ihm Christian Flohr vom Fachbereich Gewerbeaufsicht und Immissionsschutz beim Amt für Umweltschutz allerdings nicht machen. „Wir hören erst einmal, versuchen zu messen und einzugrenzen, woher das Geräusch kommt“, erläutert er. Wenn aber der Ton nicht zu messen sei, werde es schwierig. Weitere Fälle wie die des Korbers sind Christian Flohr bisher nicht bekannt.

Samuel de Andrade möchte alles daran setzen, um herauszufinden, woher das Brummen und Heulen kommt. „Wenn es so weiter geht, kann ich hier nicht mehr leben“, sagt er. Und so bleibt ihm erst mal nur die Flucht: Bald wird er Freunde in Belgien besuchen, dann für eine Zeit nach Portugal gehen. Ganz wegziehen kommt eigentlich nicht in Frage, die Wohnung gehört seiner Partnerin. „Das ist eine schreckliche Situation“, sagt Samuel de Andrade.

Es brummt an mehreren Orten in der Region Stuttgart

Phänomen
Bereits in den 1990er-Jahren haben Einwohner der amerikanischen Kleinstadt Taos ein seltsames Brummen wahrgenommen. Seitdem werden weltweit immer wieder die selben, vergleichbaren Geräusche gemeldet. Eine Ursache wird allerdings selten gefunden. In Baden-Württemberg tauchte das Phänomen vor allem um die Jahrtausendwende verstärkt auf.

Tailfingen
Seit 1999 wurde ein Ehepaar in Böblingen-Tailfingen massiv von einem rätselhaften Brummen geplagt. Über das Schicksal der beiden wurde überregional berichtet. Es folgten Messungen an 13 Standorten im Land, allerdings konnte keine gemeinsame Quelle gefunden werden. Eine Bürgerin aus dem Kreis Calw forderte daraufhin im Jahr 2003 in einer Petition eine interdisziplinäre Untersuchung des Brummtons. Der Stuttgarter Landtag lehnte die Eingabe unter anderem aus Kostengründen ab.

Leinfelden
Seit mehreren Jahren leiden Bewohner in Leinfelden unter einem Brummen und Vibrieren. In sieben Wohnungen wurde im vergangenen September mit hochempfindlichen Geräten gemessen – die Gemeinde hatte dafür 5000 Euro zur Verfügung gestellt, die Fachleute hatten zum Selbstkostenpreis gearbeitet. Die Quelle des Geräusches konnte allerdings nicht gefunden werden.

Fellbach
Im vergangenen Dezember hatte ein mysteriöses Brummen Bewohner in der Nähe des Gewa-Towers um den Schlaf gebracht. Zunächst war das Blockheizkraftwerk des Turmes in Verdacht geraten, dann die Entlüftung für den Unterstand der Müllcontainer. Letztendlich fand man in dem benachbarten Rems-Murr-Center den Verursacher. Die Lüftung war vor allem nachts zu laut.

Selbsthilfe
Die Betroffenen aus Leinfelden haben eine Internetseite aufgebaut. Unter www.brummton-region-stuttgart.de gibt es weitere Infos zu dem Thema und auch Hörbeispiele. Sie führen auch eine Betroffenen-Statistik.