Der Islam erscheint vielen fremd. Die Muslime der Gemeinde Pleidelsheim im Kreis Ludwigsburg setzen auf ein gutes Miteinander und laden im Ramadan ein.
Die Schuhe ziehen die drei Männer aus – Straßenschmutz würde den schönen hellblauen Teppich im Gebetsraum der Moschee in Pleidelsheim verunstalten. Wenig später sitzt Sefer Zor seinen beiden Gästen gegenüber. Der 44-Jährige dreifache Familienvater aus Höpfigheim, der bei Porsche als Instandhalter arbeitet, wirkt seit vielen Jahren im Vorstand der Islamischen Gemeinde mit, die dem privaten Verbund Milli Görüs und damit nicht der vom türkischen Staat gelenkten Organisation Ditib angehört. Auf das Fastenbrechen am Samstag, 23. März, um 18.30 Uhr in der Festhalle freue er sich: „Eine gute Nachbarschaft wird im Islam für sehr, sehr wichtig gehalten.“
Bei einem guten Essen das Verbindende suchen
Nachbarn – das sind für Zor und seinen etwa zehn Kollegen des harten Kerns in der Milli-Görüs-Gemeinde nicht nur die Mitmenschen, die nebenan wohnen, sondern auch die Pleidelsheimer Bürger und die örtlichen Kirchengemeinden. Auf sie gehe er gerne zu, um ihnen abseits der oft bedrohlichen Nachrichtenbilder einen persönlichen Eindruck aus dem Gemeindeleben zu vermitteln. Ins Gespräch kommen, sich austauschen, gemeinsam bei einem guten Essen das Verbindende suchen – das steckt hinter der Idee, ein Fastenbrechen zu veranstalten, unterstützt von der evangelischen, der methodistischen und der katholischen Kirchengemeinde, die für eine Teilnahme ebenso werben wie die bürgerliche Gemeinde.
Eigentlich hätte das Fastenbrechen schon vor vier Jahren stattfinden sollen. Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie schmiedeten die Beteiligten gemeinsam mit dem Pleidelsheimer Bürgermeister Ralf Trettner den Plan, in der Reihe „Miteinander in Pleidelsheim – Interkultureller Dialog“ mit einem solchen Abend zu starten. „Leider mussten wir den Abend ausfallen lassen“, erinnert sich Wolfgang Offenloch, der sich im Arbeitskreis Asyl engagiert und sich dafür einsetzt, dass Mauern zwischen Fremden und Einheimischen abgebaut werden. „Viel hängt von der Sprache ab“, sagt er und erinnert sich, wie früher die italienischen Kinder im Kindergarten nicht richtig Deutsch lernten , weil sie zu viel unter sich waren und sich nur in der Muttersprache unterhielten. „Das ist zum Glück bald behoben worden – wir hatten dann mit Rocco També den ersten Italiener im Gemeinderat, heute ist dort seine Tochter vertreten.“
Mittlerweile sprechen viele türkischstämmige Kinder nicht mehr Türkisch
Die Zeit arbeitet für die Integration. Und so sei für die Türken in der vierten oder fünften Generation nicht mehr das Deutschlernen das Problem, sondern der Erhalt der türkischen Sprache, die in vielen Familien von den Kindern nicht mehr gesprochen werde, berichtet Seref Zor. Er setzt sich in der Moschee dafür ein, dass Kinder vom islamischen Glauben erfahren. Sonntags kämen bis zu 170 Kinder und Jugendliche. Nach dem Corona-Knick erhalte die etwa 280 Mitglieder starke Gemeinde nun wieder Zulauf. Nicht nur religiöse Themen würden besprochen, erklärt Sefer Zor, es gehe auch um Lebenshilfe, etwa wenn ein Jugendlicher bei einer Bewerbung unterstützt werden müsse. „Wir leben hier nicht in Berlin-Kreuzberg: Hier geht es persönlicher zu – in Ballungsräumen ist es schwieriger, aus den eigenen Kreisen rauszukommen.“
Das Fastenbrechen ist für die Muslime ein wiederkehrendes Element im Ramadan. Tagsüber essen und trinken die Glaubenden nichts, erst am Abend nach Sonnenuntergang werde miteinander das Fasten unterbrochen, berichtet der Milli-Görüs-Mann Zor. In der Festhalle werde den Gästen am Samstag zunächst Wasser und eine Dattel gereicht, dann wohl eine Suppe und dann die Hauptmahlzeit, vermutlich ein Gericht mit Pute und Reis, am Ende schließlich ein Nachtisch. Er werde den Anwesenden einiges erklären und auf Fragen antworten, kündigt Zor an, der das Verbindende zwischen Islam, Judentum und Christentum sucht.
Der evangelische Pfarrer sieht die Dankbarkeit gefördert
Ein Ansinnen, das bei Jonathan Höfig gut ankommt. Der evangelische Pfarrer besuchte gleich zu Beginn seiner Tätigkeit in Pleidelsheim die Moschee am Tag der offenen Tür und ist angetan von der offenen Grundhaltung der muslimischen Nachbargemeinde. „Das Fasten ist auch eine christliche Tradition – es macht uns darauf aufmerksam, dass vieles, was wir haben, nicht selbstverständlich ist und fördert die Dankbarkeit.“ Die Religionen als Schatz zu begreifen, aus denen die Menschen Lebenshilfe gewinnen könnten, sei eine gemeinsame Aufgabe. Er freue sich auf die Begegnungen.
Miteinander unterwegs sind in Pleidelsheim seit Jahresbeginn übrigens auch etwa 30 Frauen aus den verschiedenen Nationen und Religionen, die sich monatlich zum Frühstück treffen. „Die Treffen entwickeln sich ganz gut, meine Frau ist regelmäßig dabei“, erzählt Wolfgang Offenloch.
Geht es auch ohne Anmeldung?
Einladung
Die Islamische Gemeinde lädt alle Bürger von Pleidelsheim ein. Für ihre Planung braucht sie aber einen Überblick, wobei spontane Gäste selbstverständlich willkommen seien. Eine formlose Anmeldung mit der Nennung der Teilnehmerzahl wäre ideal.
Voranmeldung
Eine Voranmeldung kann direkt an den Veranstalter erfolgen: iv@igmg-pl.decoder an das Büro der evangelischen Kirchengemeinde: gemeindebuero.pleidelsheim@elkw.de mit dem Betreff: Gemeinsames Fastenbrechen.