Kevin Tarte in der Rosenau Foto: Lg/Hoschek

Musicalstar Kevin Tarte, der als Krolock im „Tanz der Vampire“ über Jahre sein Publikum begeistert hatte, bricht mit großem Erfolg zu Pop, Jazz und Swing auf – damit ist ihm auch der Fan-Nachwuchs sicher.

Stuttgart - Bevor der Star des Abends in der ausverkauften Rosenau die Bühne betritt, besprechen zwei hochgewachsene Blondinen, was er denn wohl tragen wird. Rasch sind sie sich einig: Cowboystiefel zu Jeans. Von wegen! Es sind Lackschuhe zum Anzug. „Jetzt ist er doch alt geworden“, befürchtet eine der beiden.

Aber auch das stimmt nicht. Einer wie Kevin Tarte lässt sich von gelebten Jahren den jugendlichen Charme nicht rauben. Von den Schläfen schimmert es grau, der Krawattenknopf sitzt locker – ja, das Älterwerden steht ihm gut. Es gibt ihm eine Gelassenheit und ein kluges Über-den-Dingen-Schweben, passend zu seiner fantastischen Jazz-Combo, die selbst komplizierte Rhythmen leichtfüßig und cool swingen lässt.

1988 kam er nach Stuttgart

Über viele Jahre war der in Seattle geborene Amerikaner mit Wohnsitz in Möhringen der legendäre Krolock im Musical „Tanz der Vampire“, von Roman Polanski persönlich ausgewählt. Wie ein Popstar hat er seine überwiegend weiblichen Fans dazu gebracht, verrückte Dinge zu tun. Jetzt steht ein Mann in Anzug und mit Lackschuhen lässig auf der Bühne, aus dessen Augen Dankbarkeit blitzt, dass vieles für ihn gut gelaufen ist, dessen Lebensfreude ein Teil seiner Lebensreife ist und der sich frisch genug fühlt, immer Neues auszuprobieren.

Musicalstars, die auf Solo-Pfaden wandeln und CDs aufnehmen, bedienen sich meist aus den größten Musicalhits. Kevin Tarte aber, der 1988 nach Deutschland kam, um bei den Heidelberger Schlossfestspielen den „Student Prince“ zu spielen (bis 2011 jeden Sommer), ist nicht mit dem üblichen Marschgepäck eines Musicalsängers unterwegs, sondern hat in den Rucksack Jazz, Swing und Pop gepackt.

Es sind Klassiker wie „Mister Bojangles“ darunter, die man oft gehört hat – doch Tarte hat die Souveränität eines Malers, der in Meisterwerken neue, überraschend stimmige Farben unterbringt. Er nutzt die Kraft seiner Stimme, vom Orkan bis in zärtliche Nuancen so intensiv zu lustwandeln, dass selbst zunächst reservierte Männer, die ihre Kevin-verrückten Frauen begleiten, eine Gänsehaut bekommen.

14-jähriger Fan ist aus Bayern angereist

„Reflection“ heißt seine CD, die seit Monaten die Musicalcharts anführt. Mit einer Big Band hat Tarte, der zuletzt bei „Sweeney Todd“ in Magdeburg fest engagiert war, das ungewöhnliche Album eingespielt und treibt nun in kleiner Besetzung sowie mit Musicalkollegin Maya Hakvoort die Musik daraus in immer eine andere Richtung.

„Er singt noch wie ein Gott“, schwärmt eine der Blondinen und redet nicht mehr von Lackschuhen. Die 14-jährige Lorena, die mit ihren Eltern aus Bayern angereist ist, beweist, dass der Fan-Nachwuchs für Tarte nicht ausgeht. Sie kennt all seine Titel und Daten. In ihrem Zimmer hängt nicht Justin Bieber, sondern Kevin Tarte. Lorena war noch gar nicht auf der Welt, als die Mama zu „Tanz der Vampire“ nach Stuttgart fuhr.

Heute unterrichtet Kevin den Musicalnachwuchs. Nur wer es mit dem ganzen Herzen tue, sagt er seinen Schülern, könne es zu etwas bringen. Es reicht nicht, nur im Scheinwerferlicht stehen zu wollen.

Man muss alles geben und alles wollen. Dann ist auch für den besten Krolock aller Vampirszeiten noch viel drin im künstlerischen Leben. Das Älterwerden mag kompliziert sein – doch es kann cool sein, wenn man wie Kevin Tarte die Leichtigkeit bewahrt.