Beratung der Außenminister: Philip Hammond (Großbritannien), Sergej Lawrow (Russland) und Frank-Walter Steinmeier ( Foto: dpa

Bei der 52. Münchner Sicherheitskonferenz schlagen die Wogen zwischen dem Westen und Russland wieder hoch. Das macht auch einen Waffenstillstand in Syrien immer schwieriger.

München - In der Nacht zum Freitag haben sie noch einen Erfolg vermeldet: Waffenstillstand für Syrien. Aber jetzt plagen Sergej Lawrow schon wieder Zweifel. Der russische Außenminister muss sich vom britischen Amtskollegen Philip Hammond anhören, dass der Kreml endlich seine Kampfjets am Boden lassen müsse, die in Syrien zur Unterstützung der Streitkräfte von Machthaber Baschar al-Assad auch Stellungen gemäßigter Rebellen angreifen. US-Außenminister John Kerry verlangt, Russland solle sich „auf andere Ziele konzentrieren“. Die Staatengemeinschaft befinde sich an einem „Wendepunkt“. Entscheidungen der kommenden Wochen könnten den Krieg in Syrien beenden, sie könnten ihn aber auch weiter verschärfen.

Lawrow ist sichtlich verärgert. Überall nur Gegner: Human-Rights-Watch-Direktor Kenneth Roth will wissen, wann der Abwurf von Fassbomben endet. Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour erklärt, die Belagerung Hunderttausender Menschen durch Streitkräfte von Assad sei ein „Kriegsverbrechen“. Na gut, dann eben ein klares Wort: „Ich habe jetzt langsam Zweifel, ob dieses Treffen von München wirklich ein Erfolg ist“, erklärt der russische Chef-Diplomat den Regierungschefs und Ministern. Es klingt wie eine Drohung: Russland könne auch wieder aussteigen aus jener Staatengemeinschaft, die die politischen Gespräche zwischen Regierung und Opposition wieder in Gang bringen will.

Brüchiger Waffenstillstand

Die Chancen auf eine Umsetzung der Waffenruhe und freien Zugang für Helfer zu 15 Städten und Regionen sinken beinahe im Minutentakt. Gerade noch hat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Erfolgsaussichten auf „51 Prozent“ taxiert. „Ohne eine Entschärfung des Konfliktes in Syrien werden wir dauerhaft an den Symptomen der Flüchtlingskrise arbeiten, aber nicht an der Wurzel“, warnt er. Konferenzchef Wolfgang Ischinger schätzt nach Lawrows Auftritt die Chancen auf „wenig er als 50 Prozent“. Lawrow murmelt etwas von „49 Prozent“ ins Mikrofon, als sein britischer Amtskollege Hammond die Aussichten „ziemlich bei null“ sieht.

Auch einige Tausend Kilometer östlich, in der Ukraine, sieht es nicht viel besser aus. Der Waffenstillstand ist brüchig. Russlands Regierungschef Dimitri Medwedew hat sich mit Lawrow offenbar auf eine Arbeitsteilung für München verständigt: Lawrow gibt sich moderat angriffslustig, Medwedew als Scharfmacher. „Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland sind verdorben“, sagt er. „Wir sind in die Zeiten eines neuen Kalten Krieges abgerutscht.“

Steinmeier versucht, die Wogen zu glätten. Medwedew meine, man müsse alles tun, um einen neuen Kalten Krieg zu vermeiden. Doch Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite stellt mit Blick auf die Lage im Osten der Ukraine fest: „Wahrscheinlich stehen wir eher vor einer Art Heißer Krieg.“

Sorge vor neuem Kalten Krieg

„Die Nato und die EU weigern sich, mit Russland zusammenzuarbeiten. Sie bezeichnen uns als ihren Feind“, kritisiert Lawrow. Dabei hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Russen noch versichert: „Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg.“ Aber die Nato bleibe bei ihrer Linie, jede Einschüchterung oder Aggression abzuwehren, aber nicht um Krieg zu führen, sondern um ihn zu verhindern. Mit Lawrow habe er aber auch darüber gesprochen, den wegen des Ukraine-Konfliktes ausgesetzten Nato-Russland-Rat wiederzubeleben. Russland müsse aber wissen: „Wir haben klare Prinzipien.“ Grenzen dürften nicht verschoben werden wie auf der Krim geschehen. Und: „Souveräne Nationen haben das Recht, ihren Weg selbst zu bestimmen.“

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will Medwedews Rede erst gar nicht kommentieren: „Denn die war klar und verständlich.“ Aber an den Machthaber im Kreml hat Poroschenko dann doch eine klare Botschaft: „Herr Putin, das ist kein ukrainischer Bürgerkrieg. Das ist Ihre Aggression!“ Fast täglich kämen russische Truppen „über die Grenze in mein Land“. Aber er sei Optimist, lässt Poroschenko seine Zuhörer noch wissen. „Wenn Sie ein Pessimist sind, dann verlieren Sie den Krieg, und dann verlieren Sie das Land.“

Steinmeier fordert, das Abkommen von Minsk, vor einem Jahr verabredet und unterzeichnet, umzusetzen. Ihm bleibt nicht mehr als ein Appell: „Ich setze darauf, dass in Kiew und Moskau allen Verantwortlichen klar ist, dass wir nicht mehr ewig Zeit haben für die Umsetzung des in Minsk Vereinbarten.“

Es gab wohl keine Münchner Sicherheitskonferenz, die ein so desaströses Bild vom Zustand der Welt widerspiegelte wie die diesjährige. Der Ost-Welt-Konflikt ist wieder voll da. Dabei gibt es doch eigentlich einen Feind, der Russland und den Westen einen müsste, nämlich den internationalen Terrorismus. Doch Kreml-Herrscher Wladimir Putin ist es offenbar wichtiger, erst einmal den starken Mann zu spielen und dem Westen zu zeigen, wie falsch er mit der von US-Präsident Barack Obama gebrauchten Bezeichnung „Regionalmacht“ liegt. Hätten sich die USA nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht mehr oder weniger unausgesprochen als Sieger des Kalten Krieges gefeiert – die Geschichte hätte möglicherweise einen anderen Verlauf genommen.

Es ist bezeichnend für die ramponierten Ost-West-Beziehungen, dass eine in München getroffene Vereinbarung über eine „Waffenruhe“ schon einen Tag später von allen Seiten infrage gestellt wurde. Das Vertrauen in Abmachungen zwischen dem Westen und Russland tendiert gegen null. Vertrauen ist bekanntlich schnell zerstört, aber die Wiederherstellung dauert lange.

Wo bleibt der Optimismus angesichts dieser düsteren Analysen? Da kann man es nur mit dem US-Hardliner John McCain halten: „Ich hoffe, dass ich unrecht habe.“

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