Früher waren sie nützlich und wertvoll, jetzt sind es Ausstellungsstücke im Müllmuseum in Bad Säckingen Foto: Thomas Schneider

In Bad Säckingen stellt ein ungewöhnliches Museum den Abfall unserer Wegwerfgesellschaft aus

Bad Säckingen - Wie entsorgt man Weihwasserbehälter? Gilt es dabei kirchliche Vorschriften zu beachten? Auch Pfarrer stehen gelegentlich vor ganz profanen Problemen, und weil es keine Recyclinghöfe für Rosenkränze, Monstranzen und Hostienschalen gibt, müssen all diese Glaubensutensilien irgendwann das Zeitliche auf der Müllkippe segnen.

Klingelbeutel, Bibeln, Gesangsbücher, Kreuze und ein goldbesticktes Messgewand hat Erich Thomann aus den Abfallbergen einer baden-württembergischen Deponie herausgefischt. Alles, was dem Planierraupenfahrer noch nützlich oder zu wertvoll erschien, um es platt zu walzen, rettete er vor der Verrottung. Mit einem kleinen, abgeliebten Teddybären fing alles an. Mitte der 1970er-Jahre brachte Erich Thomann das weggeworfene Knopfauge mit nach Hause. Rund 20 Jahre und einige 1000 Müll-Sammelstücke später bekam dieses allererste Fundstück einen Platz in der Ehrenvitrine des Müllmuseums. Im Bad Säckinger Ortsteil Wallbach baute Erich Thomann zusammen mit seiner Familie eine alte Scheune samt Kuhstall um. Selbst das Baumaterial holte er sich größtenteils von der Deponie.

Seit 1991 präsentiert das gänzlich in Eigeninitiative betriebene Museum auf fünf Etagen Kochbücher in Sütterlinschrift, Kameras, Emaille-Geschirr und alte Arzttaschen, Schallplatten, Teppichklopfer und Poesiealben vergangener Jahrhunderte – alles liebevoll dekoriert und thematisch geordnet. Die Geschichte der Technik erzählt zum Beispiel die Sammlung alter Radioapparate, Schreib- und Nähmaschinen, Milchzentrifugen und Waschautomaten. Dass das Handwerk auch in Süddeutschland irgendwann keinen goldenen Boden mehr hatte, beweist ein Ausstellungsbereich, in dem Erich Thomann mit seinen Müllfunden eine komplette Schuhmacherwerkstatt einrichten konnte.

Kaffeemühlen, Karl-May-Bände und Bakelit-Telefone wecken Erinnerungen

Für die Wegwerfer war all das wertloses Zeug, für Familie Thomann sind es Geschenke, die der Zufall ihnen machte und ihnen zudem einen besonders schönen Finderlohn bescheren: die Begeisterung ihrer Besucher. „Schau mal, das hatten wir auch“, ist der Ausruf, den man im Müllmuseum wohl am häufigsten hört. Alles alte Bekannte – die Kaffeemühlen, Karl-May-Bände und Bakelit-Telefone, und auch das rotlackierte Ungetüm in der Friseursalon-Ecke weckt Erinnerungen. „Ich war 17, als mir so ein Ding die Haare verkohlt hat“, erzählt eine Dame, die mit ihrem Senioren-Club das Museum besucht. Lachend stehen sie vor „Wella Junior“, einem Dauerwellenapparat mit vielen Kabeln, Klemmen und einem Spannungsmessgerät. Man sieht sich eben immer zweimal im Leben.

Oft freut man sich darüber, manchmal gerät das Wiedersehen aber tragisch. Wie im Falle des Großvaters, der seiner Enkelin einen Herd für ihr Puppenhaus gebastelt hatte und ihn wenige Jahre später im Müllmuseum wiederfand. Ein typisches Spielzeugschicksal. Die Kindheiten vieler Generationen sind im Museum vereint, vom Blechspielzeug über Kaufmannsläden und Schaukelpferden bis zum Gameboy. Eine Hundertschaft großäugiger Puppen berichtet vom unsentimentalen Erwachsenwerden ihrer Besitzerinnen, die ihre alten Lieblinge einfach in der Abfalltonne entsorgt hatten. Thomanns Müllmuseum ist eine Galerie des Ungeliebten, des Abgenutzten, Überflüssigen und Ersetzbaren. Sie zeigt das Werden und Vergehen einer Konsumgesellschaft, ohne den pädagogischen Zeigefinger zu heben. Die nostalgische Kraft der Exponate reicht aus, um nachdenklich zu werden und um sich ein wenig zu schämen. So vieles im Müllmuseum ist noch vollkommen funktionstüchtig oder hätte sich leicht reparieren lassen. Echte Wertarbeit eben, ohne eingebaute Haltbarkeitsfrist, die heutige Geräte gern kaputtgehen lässt, sobald die Garantiefristen abgelaufen sind.

Es gab Zeiten, da kauften die meisten Menschen Dinge, weil sie sie brauchten, nicht weil sie sie begehrten. Nichts wurde verschwendet, alles ein Leben lang benutzt. Da galten viele Produkte aber auch noch als Luxusgüter. Zur Massenware verkommen, genügte es schon, wenn modernere, schicker designte Nachfolger auf den Markt kamen, um sich achtlos vom Alten zu trennen. So manche Museumsbesucher reut das heute. „Schade, dass es das alles nicht mehr gibt“, dürfte der zweithäufigste Satz sein, den Thomann hört. Dabei verkennt die Wehmut der einstigen Wegwerfer, dass erst der Akt der Entsorgung und des Wiederfindens die Gebrauchsgegenstände veredelt und sie zu Exponaten der Kulturgeschichte macht. Im ewigen Kreislauf des Konsums wird die Designer-Tasche von heute zum Müll von morgen. Lange dauert es nicht mehr, bis die Abfälle der Ikea- und Apple-Generation nostalgisches Lächeln auslösen werden. Dann können die Kaufexzesse einer wachstumsgläubigen Wohlstandsgesellschaft museal aufbereitet werden und Besucher vor MP3-Playern stehen, vor Mobiltelefonen und Payback-Karten und von damals schwärmen, als es noch Münzgeld gab, Handys sagenhafte 18 Monate hielten und die ersten Rasenmäher-Roboter die Vorgärten pflegten. Das wird dann die gute alte Zeit gewesen sein.