Henriette Reker ist zwischenzeitlich im Amt. Foto: dpa

Im Oktober 2015 hat ein 44-Jähriger die damalige Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Am Freitag beginnt der Prozess gegen ihn.

Köln - Henriette Reker begann am Wahlkampfstand auf dem Wochenmarkt in Köln-Braunsfeld gerade damit, Rosen an Passanten zu verteilen. „Der Täter ist auf mich zugekommen und hat gefragt, ob er auch eine Rose bekommen könnte“, wird sich die Kölner Politikerin später an die schicksalhaften Minuten am Morgen des 17. Oktobers 2015 erinnern. Dabei habe der Mann „freundlich gelächelt“ - und ihr dann sein Messer durch den Hals gestoßen. Der Mann, der die damalige parteilose Kandidatin für das Kölner Oberbürgermeisteramt mit einem Bowiemesser lebensgefährlich verletzte, heißt Frank S. und muss sich von Freitag an vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verantworten.

Nach dem Angriff auf Reker soll der 44-jährige arbeitslose Maler und Lackierer vier weitere Menschen an dem Wahlkampfstand durch Messerstiche verletzt haben, bevor er sich widerstandslos festnehmen ließ. „Ich habe das für Euch getan“, soll er Zeugen zufolge nach der Tat gerufen haben. Zu klären ist, ob es sich dabei um das Geschwätz eines psychisch Verwirrten handelte oder ob die Tat das Werk eines kühl kalkulierenden Extremisten und Fremdenhassers war.

Die Bundesanwaltschaft jedenfalls geht davon aus, dass S. die damals 58-jährige Reker gezielt als Opfer aussuchte - „als Repräsentantin einer von ihm abgelehnten Ausländer- und Flüchtlingspolitik“. Denn Kölns heutige Oberbürgermeisterin war zum Zeitpunkt des Attentats noch Sozialdezernentin in der Domstadt und damit auch für die Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. S. habe Reker ausschließlich töten wollen, weil sie mitverantwortlich gewesen sei „für eine - aus seiner Sicht - verfehlte Politik in Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten“, erklärte die Bundesanwaltschaft bei der Anklageerhebung Anfang Februar. Mit der Tötung Rekers habe der 44-Jährige „ein Zeichen setzen und ihre Wahl zur Oberbürgermeisterin verhindern“ wollen. Die Tat habe er heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen verübt - folgerichtig lautet die Anklage nun auf Mordversuch. Die Höchststrafe dafür ist lebenslange Haft.

Gerüchte über Kontakte zur rechtsextremen Szene

Nach dem Attentat verbreiteten sich schnell Gerüchte über angebliche frühere Kontakte von S. zur organisierten rechtsextremen Szene. Und es gibt sogar Spekulationen, der zuletzt in Köln-Nippes lebende Mann sei ein Informant des Verfassungsschutzes gewesen. Als gesichert gilt derzeit nur, dass sich S. bereits in seiner ersten Vernehmung am Tattag als scharfer Gegner der aktuellen Ausländerpolitik gerierte. Reker überlebte den Messerstich nur mit knapper Not: Die etwa 30 Zentimeter lange Klinge des Jagdmessers durchtrennte ihre Luftröhre und spaltete einen Wirbel. Die Kommunalpolitikerin, die am Tag nach dem Attentat zur Kölner Oberbürgermeisterin gewählt wurde, musste notoperiert werden. „Ich habe viel, viel Glück gehabt“, sagte sie später. Ihr Amt als Kölns neue Stadtchefin konnte sie erst mehrere Wochen nach der Bluttat antreten.

Dem Prozessbeginn am Freitag wird Reker nicht persönlich beiwohnen, wie Kölns Stadtsprecher Gregor Timmer auf Anfrage mitteilte. Allerdings ist die Juristin als Nebenklägerin über ihren Anwalt bei dem Verfahren vertreten, für das der Düsseldorfer Staatsschutzsenat zunächst zwölf Verhandlungstage bis zum 23. Juni anberaumte und mehr als 25 Zeugen lud. Bereits am 29. April soll Reker als Zeugin im Hochsicherheitstrakt des OLG Düsseldorf von ihrer Erinnerung an die Tat und ihren Verletzungen berichten. „Ich freue mich nicht darauf, aber es muss sein“, sagte Reker zu ihrem Zeugenauftritt kürzlich dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Schon bei ihrem Amtsantritt im November hatte sie auch darüber nachgedacht, mit dem Attentäter ein Gespräch zu führen. Denn Experten rieten in solchen Fällen häufig zu einer Täter-Opfer-Begegnung, sagte Reker damals. Ihrem Sprecher Timmer zufolge wird es ein solches Gespräch aber vorerst nicht geben - sondern frühestens nach dem Prozess.